Gröbenzell:Nein zum Ehrentitel ohne Rechte und Pflichten

Lesezeit: 2 min

Mehrheit der Gröbenzeller ist bei Bürgerentscheid gegen die Stadterhebung. Übers Pro und Kontra und das Lebensgefühl im Ort wird engagiert diskutiert

Von Gerhard Eisenkolb, Gröbenzell

Eigentlich könnten die Gröbenzeller jetzt das Jubiläum begehen, vor fünf Jahren im April bei einem Bürgerentscheid auf den Ehrentitel der Stadterhebung gepfiffen zu haben. Schließlich bringt die Bezeichnung Stadt, die das Innenministerium als eine Art Verdienstmedaille auf Antrag der Kommune verleiht, weder Rechte noch Pflichten. Selbstverständlich wird es eine solche Nichtjubiläumsfeier in Gröbenzell nicht geben.

In diesem Zusammenhang verweist Bürgermeister Martin Schäfer (UWG) jedoch darauf, dass die Gröbenzeller "auch ohne einen Grund zu haben, gerne Feste feiern". So wird es dabei bleiben, dass sich einige der Kontrahenten von damals an die mit viel Engagement und Emotionen geführten politischen Auseinandersetzungen erinnern werden. Wie Zweiter Bürgermeister Martin Runge (Grüne) rückblickend feststellt, waren die Bürger vor fünf Jahren selbstbewusst genug zu sagen, sie hätten eine solche "Pseudo-Aufwertung" nicht nötig. Laut Schäfer fehlt seiner Gemeinde nichts. Sie sei auf Augenhöhe mit Puchheim und Olching geblieben, denen er zu ihren Jubiläen herzlich gratuliere.

Die Gröbenzeller sind ja gerade darauf stolz, in einer beschaulichen, liebenswerten Gemeinde an der Münchner Stadtgrenze zu leben. Diese Identität samt dem Gartenstadtcharakter ihres Wohnorts mit viel Grün sahen die Gegner damals durch eine Stadterhebung gefährdet. Man hatte Angst vor der weiteren Urbanisierung der Gemeinde. So konsequent, etwas gegen den schleichenden Prozess der Verstädterung ihres Wohnorts zu tun, waren die Gröbenzeller dann doch nicht. Der weiteren Zerstückelung und immer dichteren Bebauung der Grundstücke wird kaum Einhalt geboten, was aufgrund von Präzedenzfällen und früheren Bausünden auch nur schwer machbar wäre. Da der Wachstumsdruck auch ohne Stadttitel der gleiche geblieben ist, wird weiter kräftig nachverdichtet. Was den Ort städtischer macht, ebenso wie das geplante neue wuchtige Ortszentrum mit Geschossbauten in der Bahnhofstraße.

Im Gegensatz zu den Nachbarn Puchheim und Olching diskutierten die Gröbenzeller 2010 und 2011 jedoch intensiv über die eigene Identität und das Pro und Kontra der Stadterhebung und das Lebensgefühl Gröbenzeller zu sein. Was den Ausschlag gab, brachte Joachim Netschert bei einer SZ-Podiumsdiskussion auf den Punkt: "Es geht um das Gefühl, in welchem Ort möchte ich leben." Diese Auseinandersetzung brachte die Einsicht, dass auch diejenigen, die dafür warben, das weniger mit Sachargumenten, denn mit Emotionen machten. So bekannte beispielsweise der ehemalige Germeringer OB Peter Braun bei einer öffentlichen Diskussionsrunde als Befürworter der Stadterhebung, es habe sich nicht messen lassen, ob der Titel Germering irgendetwas gebracht hätte. Auf jeden Fall brachte der Meinungsstreit in Gröbenzell einen Gewinner hervor. Der ist Bürgermeister Martin Schäfer (UWG). Ihm gelang es drei Jahre später mit seinem Sieg bei der Kommunalwahl, die jahrzehntelange CSU-Herrschaft im Rathaus zu beenden. Schäfer und Runge, die beiden Hauptaktivisten des Bürgerentscheids, warben nämlich monatelang immer freitags am Wochenmarkt für ihr Anliegen, gegen die Stadterhebung zu stimmen. Dieser Ausdauer verdankt es Schäfer, in seiner Gemeinde richtig bekannt geworden zu sein.

Den Erfolg beim Bürgerentscheid erstritten Runge und Schäfer freilich nicht alleine. Sie fanden Unterstützer in allen politischen Lagern, vor allem aber bei der in dieser Frage in zwei Lager gespaltenen CSU. Hier standen sich Befürworter und Gegner unversöhnlich gegenüber. Dieser interne Zwist offenbarte die Schwäche der CSU, in wichtigen Fragen der Ortsentwicklung klar Position zu beziehen und bildete den Auftakt für den Verlust der Macht drei Jahre später.

© SZ vom 18.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: