Gröbenzell:Nabelschau auf 148 Seiten

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Bürgermeister Martin Schäfer zieht in einer Publikation der UWG Bilanz nach sechs Jahren Amtszeit. Zudem stellt er Kandidaten der Unabhängigen Wählergemeinschaft vor. Kritiker sehen darin eine bedenkliche Verquickung von Amtsgeschäft und Parteipolitik

Von Gerhard Eisenkolb, Gröbenzell

Mit einer 148 Seiten umfassenden Publikation bereichert die Unabhängige Wählergemeinschaft Gröbenzell (UWG) den Kommunalwahlkampf. Verteilt wurde sie an alle 9000 Haushalte der Gemeinde. Der Umfang des Druckwerks ist bislang landkreisweit einmalig. Als Herausgeber wird im Impressum Bürgermeister Martin Schäfer (UWG) genannt, der im Vorwort schreibt: "Mit diesem Buch möchte ich Ihnen einen Überblick darüber geben, was in den vergangenen sechs Jahren in Gröbenzell alles passiert ist."

Auch wenn der Bürgermeister, der nun erneut für dieses Amt kandidiert, in dem Werk eine faktenreiche Gemeindechronik der vergangenen sechs Jahre sieht, liegt der Schwerpunkt mit 81 Seiten auf Informationen über die Kommunalwahl. So wird ausführlich über die Kandidaten beziehungsweise das Wahlprogramm der UWG sowie die Kreistagsliste der UBV (deren Spitzenkandidat ebenfalls Schäfer ist) und deren Programm berichtet. Im Gemeinderat verfügt die UWG zurzeit über vier von 24 Sitzen.

Laut Schäfer betrugen die Herstellungskosten des Buchs 10 800 Euro. Finanziert worden sei es aus der Ehrenamtspauschale der vier UWG-Gemeinderäte. Dass anderen Parteien für ein solches Buch die Finanzmittel fehlen, spricht der SPD-Ortsvorsitzende Franz Eichiner an. Dieser lobt das "optisch toll und professionell" gemachte Werk, für das einem normalen SPD-Ortsverein schlicht das Geld fehle. "Als Unternehmer investiert man in etwas, wenn man etwas herausholen will." Mit diesen Worten umschreibt der Sozialdemokrat die Motivation, die seiner Ansicht nach hinter dem Unterfangen steckt. Er bezweifelt freilich, dass die erhebliche Investition an Geld und Arbeit den erwünschten Erlös bringen wird.

"Schäfers Art, Wahlkampf zu machen": Das opulente Werk, das der Gröbezeller Bürgermeisterher ausgegeben hat. (Foto: Carmen Voxbrunner)

Das Buch hat den Charakter eines Mitteilungsblatts, weil in ihm immer wieder öffentlich zugängliche Fakten der Gemeindeverwaltung aneinandergereiht werden. Beispielsweise, dass die Gemeinde in den vier Jahren von 2016 bis einschließlich 2019 insgesamt 512 000 Euro für Stellenausschreibungen ausgegeben hat, also 128 000 Euro pro Jahr. Walter Voit, Sprecher der Gröbenzeller Grünen, hält diesen Posten für eine Gemeinde von der Größe Gröbenzells für außergewöhnlich hoch. Für den Grünen ist die Nennung dieser Kosten deshalb ein "Eigentor" Schäfers. Hinter den hohen Ausgaben für Stellenausschreibungen stecke mehr als nur die hohe Zahl von in den Ruhestand verabschiedeten Bediensteten. Laut Voit gab es im Rathaus auch eine "Kündigungswelle". Schäfer nennt neben den Kündigungen noch die Schaffung neuer Stellen, steigende Teilzeitmodelle sowie neu geschaffene Ausbildungsstellen.

Voit kritisiert die Materialschlacht der UWG als "überdimensioniert". Als "bedenklich" bezeichnet er den "halboffiziellen" Charakter des Buches. Vieles klinge wie Verlautbarungen aus dem Rathaus. Das stört auch die CSU-Fraktionsvorsitzende Brigitte Böttger. Es werde verschwiegen, dass vieles von dem, was die UWG nun in dem Buch als politischen Erfolg herausstelle, von verschiedenen Parteien im Gemeinderat angeregt worden sei. Zudem ging der Gemeinderat vieles von dem, was unter Schäfer umgesetzt wurde, bereits in einer Zeit an, als dieser noch nicht Rathauschef war. Darauf weist auch der SPD-Fraktionsvorsitzende Peter Falk hin. Böttger hält sich mit Bewertungen zum UWG-Wahlkampfbuch zurück. Sie sagt nur, ein solches Buch zu verteilen, sei nun mal Schäfers Art, Wahlkampf zu machen.

Auf der Rückseite des Einbandes schreibt die UWG: "Ein Buch, das viel verrät und Einblicke in Details, Zahlen und Fakten gibt, die man sonst nicht bekommt." So wird im Kapitel zum Abriss der Hexe offengelegt, wie im Gemeinderat namentlich in nicht öffentlicher Sitzung über den Tausch des einem Investor gehörenden Grundstücks an der Kirchenstraße gegen ein Grundstück der Gemeinde an der Bahnhofstraße abgestimmt wurde. Damit sollte der Abriss der ehemaligen Gaststätte verhindert werden.

Der Politiker Martin Schäfer der UWG trat vor sechs Jahren die Nachfolge von Dieter Rubenbauer an. (Foto: Matthias Döring)

Normalerweise dürfen Gemeinderäte nichts von dem preisgeben, was hinter verschlossenen Türen beraten und beschlossen wird. Aber es gibt wohl Ausnahmen. In diesem Zusammenhang "wundert" sich CSU-Fraktionsvorsitzende Böttger, dass ein Hinweis darauf fehlt, dass Schäfer damals vor der Abstimmung den Sitzungssaal verließ. Waren es doch Schäfer und dessen Bruder, die die Hexe an einen Investor verkauften, was den Gemeinderat erst unter Zugzwang gesetzt habe, nach Rettungsmöglichkeiten zu suchen.

Auf vier Seiten wird zum Teil sehr detailliert über den Rathausneubau berichtet. So erfahren die Leser zum Beispiel, dass im April 2017 unter anderem auch beschlossen wurde, auf dessen Dach für circa 10 000 Euro Feuerwehrsirenen zu installieren und im März 2018 für das Bauvorhaben 21 Millionen Euro in den Haushalt eingestellt wurden. Zu Kostensteigerungen ist lediglich zu lesen, dass 17,6 Millionen Euro veranschlagt waren. Dabei sollte das neue Rathaus im Juni 2015 gerade mal 10,5 Millionen Euro kosten. Als einstimmig beschlossen wurde, das alte Rathaus abzureißen und durch einen Neubau zu ersetzen, geschah das unter anderem auch, weil der Neubau um 1,3 Millionen Euro billiger sein sollte als die damals geschätzten Sanierungskosten für das alte Rathaus in Höhe von 11,7 Millionen Euro.

© SZ vom 10.03.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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