Gröbenzell:Kraftvoll gegen den Pflegenotstand

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Carmen Sturz sucht dringend neue Mitarbeiter für den Ökumenischen Sozialdienst. (Foto: Carmen Voxbrunner)

Carmen Sturz ist neue Geschäftsführerin des Ökumenischen Sozialdienstes Gröbenzell

Von Karl-Wilhelm Götte, Gröbenzell

Carmen Sturz hat mit "mehreren offen Baustellen" zu kämpfen, wie sie sagt. Seit Januar dieses Jahres ist sie Geschäftsführerin des Ökumenischen Sozialdienstes Gröbenzell. "Die größte Sorge ist der Personalmangel in der ambulanten Krankenpflege", sagt sie. "Es gibt keine Entwarnung, es wird tendenziell nicht besser." Dabei ist die ambulante Pflege das wirtschaftliche Standbein des Sozialdienstes. Die Geschäftsführungsaufgabe erfordert von Sturz enormen Einsatz.

Das Unternehmen ist in den vergangenen Jahrzehnten gewaltig expandiert. Inzwischen kommt der Sozialdienst auf Gesamteinnahmen von 1,4 Millionen Euro, so der letzte Geschäftsbericht. Deshalb ist auch die Satzung geändert worden und der bisherige ehrenamtliche Vorstand um den langjährigen Frontmann Winfried Bauer in den Aufsichtsrat gerückt. Sturz bildet nach Bestellung durch den Aufsichtsrat nun den hauptamtlichen Vorstand.

Etwas mehr als eine Million Euro setzt der Bereich der ambulanten Pflege um. 2017 wurden 228 Menschen vor allem von 16 hauptamtlichen Pflegekräften betreut. Das reicht nicht aus. Sturz sagt: "Fünf Mitarbeiterinnen könnten wir in der Pflege noch einstellen." Die Mitarbeiterinnen in der täglichen Krankenpflege arbeiten offenbar ständig am Limit. Krankheitsbedingte Ausfälle häufen sich. Bei den Kranken musste ein Aufnahmestopp verfügt werden. Prämien für die Vermittlung von Mitarbeiterinnen wurden ausgesetzt. Die Resonanz ist trotzdem gering. Personal zu finden bleibt eine Daueraufgabe der neuen Chefin. "Die Arbeit wird schlecht bezahlt und ist körperlich anstrengend", sagt Sturz. Sie wundere sich nicht über den Personalmangel.

Die 50-Jährige hat ursprünglich als Zahnarzthelferin gearbeitet. Dann wechselte sie in die IT-Branche. Aufgewachsen ist sie in Germering. Seit 26 Jahren wohnt sie schon in Gröbenzell. Kontakt zu Germering hat sie aber immer noch, sie ist Mitglied bei den Böllerschützen des Schützenvereins "Gemütlichkeit". Sturz ist ein bekanntes Gesicht im Landkreis. Sie ist in Gröbenzell Teamleiterin des Kriseninterventionsteams (KIT) der Malteser. Auch eine Tätigkeit, die sie vorher nicht kannte. "Ich hatte eine Anzeige gelesen", erzählt Sturz. Nach einer Woche habe sie dort angerufen und sofort Feuer gefangen. Sie fand das selbst überraschend: "Ich war überhaupt nicht in dem Thema drin." Sie arbeitete sich ein und jetzt ist die Teamleiterin. Sie rückt mit ihrem Bus, dem Einsatzwagen, aus und hilft Menschen, die einen Angehörigen durch Unfall, Suizid oder plötzlichem Tod verloren haben.

Sturz leitet 17 ehrenamtliche Mitarbeiter an. Sie betreuen Menschen in einer akuten Phase - in der Regel bis zu vier Stunden. Das KIT Gröbenzell, das pro Jahr auf über hundert Einsätze kommt, wird über die Integrierte Leitstelle in Fürstenfeldbruck alarmiert und teilt sich die Arbeit mit DID, dem Kriseninterventionsdienst des Bayerischen Roten Kreuzes. Trotz ihrer zeitlichen Beanspruchung beim Sozialdienst möchte Sturz diese ehrenamtliche Aufgabe nicht missen. "Das ist eine Herzensangelegenheit", sagt sie, "die würde ich nie aufgeben."

Sturz arbeitet Teilzeit. Doch die ersten Monate hätten gezeigt, dass 25 Stunden in der Woche zu wenig sei. "Wir werden das ändern", sagt Sturz, sie habe schon mit dem Aufsichtsrat des Sozialdienstes gesprochen. Beim Sozialdienst versteht sie sich als eine Art Querdenkerin, die kraft ihrer Vorbildung und anderen beruflichen Erfahrungen auch "einen anderen Blick" auf die Aufgabenfelder der Einrichtung hat. Sie will dabei gar nicht alles umdrehen, aber das eine oder andere "auf den richtigen Stand bringen". Sturz versteht sich dabei als Teamplayer und will die hundert Mitarbeiterinnen in mögliche Veränderungen von Anfang an mit einbinden. Da kann es sein, dass sie in Zukunft nicht mehr so oft zuhause bei ihrem 13-jährigen Sohn Simon und ihrem Ehemann Karlheinz ist. "Besonders mein Mann muss einiges aushalten und mittragen", sagt Carmen Sturz. "Aber daran ist er gewöhnt."

© SZ vom 22.08.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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