SZ-Adventskalender:Hoffnung auf Besserung

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Die Gröbenzellerin Ilse R. kommt kaum noch aus dem Haus und ihre Augen werden immer schlechter. Entmutigen lässt sie sich davon aber nicht

Von Florian J. Haamann, Gröbenzell

Schweren Herzens hat sich Ilse R. vor einiger Zeit von ihren Büchern getrennt. "Ich habe früher wirklich viel gelesen, aber jetzt geht es eben nicht mehr. Ich schaffe ja kaum noch den Gemeindeanzeiger", erzählt sie. Historische Romane seien ihre große Leidenschaft gewesen. Meistens habe sie die Bücher von einer Freundin bekommen. Aber seit zwei Jahren werden ihre Augen immer schlechter, auch eine Laseroperation gegen den grauen Star hat keine wirkliche Besserung gebracht. Um trotzdem etwas besser zurecht zu kommen und sich vielleicht sogar wieder ab und zu einem Buch widmen zu können, hat sich Ilse R. eine neue Gleitsichtbrille bestellt. 1000 Euro kostet das, eine Summe, die für die 83-Jährige nur schwer zu stemmen ist. "Mit Ratenzahlung bekomme ich das schon irgendwie hin", sagt Ilse R. Der "Adventskalender für gute Werke" der Süddeutschen Zeitung möchte sie unterstützen, damit die finanzielle Belastung nicht zu hoch wird. "Ich hoffe, dass ich mit der Brille wieder etwas aktiver sein kann. Ich kann ja nicht den ganzen Tag nur Fernsehen", so Ilse R.

Die geringe Rente, mit der sie zurecht kommen muss, hat sie sich spät erarbeitet. Mit 55 Jahren hat sie sich nach mehr als 30 Jahren von ihrem Ehemann, der sich bis dahin um die finanzielle Versorgung gekümmert hat, scheiden lassen. "Er hat damals weder Unterhalt gezahlt, noch die Miete. Aber ich war froh, dass es vorbei war." Also hat sie sich Gelegenheitsjobs als Haushaltshilfe gesucht, bis sie eine Anstellung in einer Elektrofirma gefunden hat. "Man kann also auch mit 55 Jahren noch etwas finden, wenn man wirklich sucht. Da braucht mir keiner was vormachen. Deswegen regt es mich auf, wenn andere immer jammern", so die 83-Jährige. Auch ihre sechs Kinder hätten sich damals kleine Arbeiten gesucht, um die Familie zu unterstützen.

Mit ihrer alten Brille kann die 83-jährige Ilse R. kaum noch sehen. Mit einem neuen Gleitschichtmodell hofft sie, bald wieder lesen zu können. (Foto: Carmen Voxbrunner)

Heute kommt Ilse R. kaum noch aus dem Haus. Denn neben den Augen macht auch der Rest des Körpers nicht mehr so mit, wie sie es gerne hätte. Laufen kann sie nur noch mit Hilfe eines Rollators, vor einigen Jahren hatte sie Brustkrebs, bis heute bekommt sie Lymphdrainagen. "Ich komme kaum noch aus dem Haus. An guten Tagen schaffe ich es mit dem Rollator bis zum Müll oder an die Straße, aber dann muss ich mich schon hinsetzen, oder zurück in die Wohnung gehen. Ich hätte nie gedacht, dass es mal soweit kommt." Denn früher ist sie viel spazieren gegangen, überall mit dem Fahrrad hingefahren: zum Markt, nach Olching, zu Freunden. "Es ist ganz schlimm, nichts mehr zu können. Und außerdem wird man immer dicker, wenn man so wenig Bewegung hat", sagt Ilse R.

Bei vielen alltäglichen Handlungen braucht sie mittlerweile Unterstützung. Morgens kommt ein Pflegedienst, um ihr beim Anziehen, vor allem der Gummistrümpfe, zu helfen, am Abend kommt noch einmal eine Pflegerin, um ihr ihre Diabetesspritze zu geben. Ansonsten kann sie sich auf die Hilfe ihrer Familie verlassen. Eine ihrer Schwiegertöchter sieht einmal die Woche vorbei, um zu putzen und zu waschen. Ihre Söhne erledigen den Einkauf und was sonst so anfällt. "Ich bin froh, dass ich soviel Unterstützung erhalte. "

Und auch, wenn sie nur noch selten vor die Tür kommt, ist Ilse R. keineswegs von der Außenwelt abgeschnitten. Denn zu ihrem 70. Geburtstag hat sie einen Computer bekommen. Als es ihr noch besser ging, hat sie mehrere Kurse besucht, so dass sie sich gut auskennt, auch im Internet. "Gestern habe ich nach längerer Zeit mal wieder bei Facebook reingeschaut und ich hatte wirklich eine ganze Menge unbeantworteter Nachrichten", erzählt sie. Über das soziale Netzwerk kann sie genau verfolgen, was die Familie so treibt. Sei es die Enkelin, die ständig Selfies, also Selbstporträts, postet; die Nichte, die in Dänemark studiert oder die Schwiegertochter, die immer so schöne Fotos von ihren Wanderungen veröffentlicht. "Das hat alles seine Vor- und Nachteile. Manchmal erfahre ich spannendes Dinge, aber oft ist es auch richtiger Quatsch." Und wenn der ihr zu viel wird, ruft sich einfach ihre Cousins in Thüringen oder alte Kindheitsfreunde an.

© SZ vom 27.12.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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