Warum er zu den "guten Kevins" gehört und wie er über Fußball zur Politik gekommen ist, haben all die vielen Zuhörer erfahren, die am Donnerstag zu Kevin Kühnert in den Saal im Gröbenzeller Freizeitheim gekommen sind. Im Dialog mit dem Bürgermeisterkandidaten der SPD, Gregor von Uckermann, erläuterte der beliebte Politiker aus Berlin, Vorsitzender der Jusos und Vize-Vorsitzender der Bundes-SPD, den etwa 250 begeisterten Gästen, wie Sozialdemokratie wieder attraktiver werden könnte. Die Forderung des 29-Jährigen nach einer Öffnung der SPD hin zur Partei Die Linke wurde euphorisch beklatscht.
Es ist voll im Saal des Freizeitheims. Im Vorfeld hatten böse Zungen noch gemunkelt, die Örtlichkeit könnte zu groß sein für die momentan so schwache SPD. Doch die hatten geirrt. Alles verläuft ganz ähnlich wie vor eineinhalb Jahren, als Kühnert der Einladung der SPD Eichenau gefolgt war. Daran erinnert sich Michael Schrodi bei der Begrüßung. Der einzige SPD-Politiker aus dem Landkreis Fürstenfeldbruck im Bundestag spricht die Thüringer Ministerpräsidentenwahl an und erinnert die Genossen an ihre historische Verantwortung; als Adolf Hitler 1933 an die Macht kam, stimmte im Parlament nur die SPD geschlossen gegen das Ermächtigungsgesetz. Rasch kehrt Schrodi zurück in die Gegenwart. Er stellt den 30 Jahre alten von Uckermann als seinen ehemaligen Nachfolger als Juso-Chef in Gröbenzell vor. Landratskandidat Christoph Maier hatte von Uckermann zuvor, nach seinem Auftritt mit seiner Band "Die Landräte" als "Bürgermeister von Gröbenzell, den zukünftigen" begrüßt.
Anstelle der klassischen Rede, die üblicherweise der Gast alleine vor dem Publikum hält, haben sich die Organisatoren der Veranstaltung zusammen mit den Wahlkampfstrategen etwas Besonderes ausgedacht: Einen Dialog der beiden jungen Kommunalpolitiker. Kühnert, 29, dunkelblaues Hemd über dunkelblauer Hose, und von Uckermann, 30, weißes Hemd in schwarzer Hose, nehmen an einem Tisch auf zwei Barhockern Platz. Dank der Fragen des Bürgermeisterkandidaten erfahren die Gäste, dass der junge SPD-Vize seinen Vornamen nicht so ganz toll findet. Die vor 1990 geborenen Kevins seien noch "die guten"; der richtige Hype habe erst ab 1990 mit den Filmen von Kevin Costners "Der mit dem Wolf tanz" sowie den beiden Teilen von "Kevin allein zu Haus" eingesetzt. Seine "Kindheit im Berlin der Neunziger" - damals spielte dort noch kein Club in der ersten Bundesliga - erklärt Kühnert zufolge seine Sympathie für den FC Bayern. Auf die Frage, welche Rolle Sport für die Gesellschaft spielt, berichtet er, dass ihn die rassistischen und gewalttätigen Anfeindungen, die er dort erlebt hat, zur Politik gebracht haben. Kühnert hat 2013 den Verein "Fußballfans gegen Homophobie" mitgegründet, der inzwischen europaweit Ansehen genießt.
In Gröbenzell drehen sich jedoch viele Fragen darum, wie der Einzelne das Abdriften der Gesellschaft nach Rechts verhindern kann. Als Ursachen benennt Kühnert die in Ostdeutschland historisch bedingt "schwach aufgestellte Demokratie", aber auch viele Ereignisse, etwa die Pegida-Märsche in Dresden, "die meiner Meinung nach viel zuviel Aufmerksamkeit gekriegt haben", oder die Thesen des ehemaligen SPD-Politikers Thilo Sarrazin. Als Kampfmittel rät Kühnert zum Dialog mit den Unzufriedenen: man müsse die Ursachen ausmachen und gemeinsame Lösungen erarbeiten, so seine Empfehlung. "Ich glaube, vielen, die rechtsradikal wählen, kann man so eine Brücke bauen", sagt er. "Das größte Problem der SPD ist, dass jeder meint, er weiß, was das größte Problem der SPD ist", konstatiert er zum Zustand der Partei unter kräftigem Beifall. Als er mit Blick auf aktuelle Koalitionen mit Horst Seehofer oder Verkehrsminister Andreas Scheuer empfiehlt, auch mal Die Linke als Koalitionspartner zu erwägen, klatschen die Anwesenden noch mehr.