Gröbenzell:Fünfköpfige Familie wird obdachlos

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Gemeinde lässt Haus in der Bahnhofstraße für die eigenen Baupläne an diesem Dienstag zwangsräumen

Von Sebastian Mayr, Gröbenzell

Eine Räumungsklage der Gemeinde zwingt Antonio Nuñez-Silva, seine Lebensgefährtin und die drei Kinder das von ihnen bewohnte Haus in der Bahnhofstraße in Gröbenzell an diesem Dienstagmorgen zu verlassen. Das Paar wirft der Gemeinde und Bürgermeister Martin Schäfer (UWG) vor, Schuld daran zu tragen, dass sie nach der Räumung obdachlos sein werden. Diesen Vorwurf weist Martin Runge entschieden zurück. Der zweite Bürgermeister, der Schäfer während dessen Urlaubs vertritt, erinnert daran, dass Nuñez-Silva das Haus verkauft hatte. "Er weiß seit langer Zeit, dass er das Haus veräußern wird", betont der Grünen-Politiker. Das Grundstück soll nach den Wünschen der Gemeinde Teil der neu gestalteten Bahnhofstraße sein. Dort sollen Geschäftsräume und bezahlbare Etagenwohnungen geschaffen werden. Das Haus, das vorher Antonio Nuñez-Silva und seiner früheren Ehefrau gehört hatte, ist für Runge ein "Schlüsselgrundstück".

Nuñez-Silva hatte das Haus vor sechs Jahren gemeinsam mit seiner damaligen Frau gekauft, selbst renoviert und ausgebaut. Nach der Scheidung vor drei Jahren konnten die beiden sich nicht darauf einigen, dass Nuñez-Silva der Exfrau ihren Anteil abkaufte. Statt dessen wurde das Grundstück versteigert, die Gemeinde bekam den Zuschlag. Den vier Mietern wurde gekündigt, auch Nuñez-Silva und seine neue Familie wurden aufgefordert auszuziehen. Der 46-Jährige versuchte, dies gerichtlich zu verhindern. Ohne Erfolg. Statt dessen wird die Familie fürs Erste in eine Pension in der Breslauer Straße ziehen. Die Zimmer dort sind bereits gebucht, wer dafür aufkommen wird, ist noch unklar. Wenn Nuñez-Silva und seine Familie das Geld dafür aufbringen können, müssen sie die rund 2000 Euro im Monat selbst bezahlen. Andernfalls springt die Gemeinde ein.

Dass er das Haus verlassen muss, hält Nuñez-Silva für nicht notwendig. Ein Mieter, der ebenfalls auf dem Grundstück lebt, darf dort noch bis Ende Juli bleiben, bevor er eine andere Wohnung zieht. Runge verweist jedoch darauf, dass dieser Mieter anders als Nuñez-Silva und seine Familie einen Mietvertrag geschlossen und außerdem bereits eine neue Wohnung gefunden habe, die er am 1. August beziehen kann. Antonio Nuñez-Silva dagegen habe ein Gesprächsangebot der Gemeinde ausgeschlagen. Der 46-Jährige, der einen Automaten-Aufstellbetrieb leitete, derzeit aber arbeitslos ist, hätte gerne so lange weiter in dem Haus gewohnt, bis es wegen der Umgestaltung des Bahnhofstraße abgerissen wird. Er glaubt, das bis dahin noch mehrere Jahre vorbeigehen werden.

Eine zeitliche Prognose will Martin Runge nicht geben. Im Juli soll jedoch dazu eine Sondersitzung stattfinden. Bereits jetzt laufen Gespräche, alle notwendigen Grundstücke stehen bereit. "Die privaten Eigentümer machen uns Druck", erklärt der zweite Bürgermeister. Beginnt die Gemeinde nicht bald mit der gemeinsamen Planung, fürchtet der Gemeinderat Alleingänge. Deswegen sollten Nuñez-Silva und seine Familie so schnell wie möglich ausziehen. Dass auf dem Grundstück günstige Wohnungen entstehen sollen, ist für Runge ein guter Grund, darauf zu drängen.

Dass Nuñez-Silva Schilder aufgehängt hat, mit denen er Schäfer und der Gemeinde die Schuld geben, findet der Politiker "ungerecht". "Obdachlos, ab Dienstag 3 Kinder auf der Straße! Danke, Herr Bürgermeister Schäfer", steht auf einer dieser Tafeln. Dass es schmerzhaft sei, obdachlos zu werden, könne er aber verstehen, so Runge. Deswegen will er "nicht jedes Wort auf die Goldwaage legen." Der zweite Bürgermeister hat in seiner Karriere schon häufiger erlebt, das Menschen obdachlos wurden. Die Kinder, erklärt Antonio Nuñez-Silva, seien der Grund, warum er so wütend und enttäuscht sei: "Wenn es ich alleine wäre, wäre mir das egal."

© SZ vom 30.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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