Gröbenzell:Franzosen bauten Russenbrücke

Lesezeit: 2 min

Ausstellung der Gröbenhüter zum 100-jährigen Baubeginn am Gröbenbach widerlegt die Überlieferung. Gezeigt werden Fotos aus dem Besitz des Enkels eines Kriegsgefangenen aus Südfrankreich

Von Peter Bierl, Gröbenzell

Die kleine denkmalgeschützte Brücke über den Gröbenbach ist als Russenbrücke bekannt. Eine kleine Ausstellung im Museum der Gröbenhüter in der alten Schule in Gröbenzell zum Baubeginn vor 100 Jahren beweist nun, dass das Bauwerk tatsächlich von Franzosen erbaut wurde. Ursprünglich war es auch nicht bloß eine, sondern drei Brücken. Erstmals sind Fotos zu sehen, die die Arbeit an der Baustelle sowie die Unterbringung der französischen Soldaten in Eschenried dokumentieren.

Alle Brücken im Umkreis des Kriegsgefangenenlagers Puchheim wurden so genannt, weil dort während des Ersten Weltkrieges vor allem russische Soldaten interniert waren. Irgendwann setzte sich die Auffassung durch, diese Gefangenen, die Straßen bauten, in Bergwerken und auf Bauernhöfen arbeiteten und den Sumpf am Gröbenbach trockenlegten, hätten auch alle Brücken errichtet.

Viele wussten es besser. Der Puchheimer Heimatpfleger Erich Rupprecht wies 1973 auf die Franzosen hin. Vier Jahre später schrieb Hans Scheidler an die Gemeinde Gröbenzell, weil er sich ärgerte, wenn Lehrer bei Ausflügen die Schüler falsch informierten. Scheidler hatte als Jugendlicher nebenan gewohnt und die Franzosen bei der Arbeit gesehen. Sein Vater Johann hatte die Bauaufsicht.

Die Angaben wurden nun durch Recherchen der Gröbenhüter bestätigt. Albert Donhauser und Werner Urban bekamen Hilfe von Walter Ensinger vom Deutsch-Französischen Verein. Der entdeckte Hinweise im Internet und spürte in Südfrankreich Jean-Claude Martin auf. Sein Großvater Fernand Alauzen (1890-1964) war einer der Brückenbauer. Der Ladenbesitzer aus Saint-Christol-lez-Alès wurde bei Kriegsbeginn eingezogen und am 19. August 1914 bei Kämpfen in Lothringen am Knie verletzt und gefangen genommen. Sein Enkel Martin besitzt etliche Fotos aus der Zeit der Gefangenschaft, denn im Lager im Eschenhof gab es ein Fotolabor. Auf einem Bild posiert Alauzen mit sechs Kameraden, darunter findet sich die Unterschrift: "Les charpentiers des Ponts", die Zimmerleute der Brücken.

Das ist ein weiterer Hinweis auf zwei weitere Brücken. Von ihnen ist nichts übrig geblieben, ihre Standorte sind nicht klar, sagte Urban der SZ. Die eine sah so aus wie die erhaltene Russenbrücke, die andere war deutlich kleiner. Von ihr existiert wenigstens ein Foto, auf dem ebenfalls Männer in französischen Uniformen zu sehen sind.

Die Gefangenen kamen auch nicht aus dem Puchheimer Lager. Der Eschenhof war ab September 1915 Außenlager des Lagers in Dillingen. In ihrer Freizeit spielten die Franzosen Boule und Theater und organisierten ein Casino "Monte Carlo", in dem sie vermutlich um Lagergeld spielten. Zwei Berichte von Delegierten der neutralen spanischen Regierung, die das Lager besichtigen, rügten jedoch Unterbringung und Verpflegung. 620 Männer seien in einer Baracke neben dem Hof untergebracht, "in engen Reihen zusammengepfercht wie Bücher in einer Bibliothek", notierte ein Beobachter im März 1916. Zeitweise lebten die Gefangenen später auf umliegenden Höfen, wo sie arbeiteten.

Der Brückenbau begann am 1. Januar 1916. Ein französischer Offizier und ein Architekt hatten die Pläne für die Betonbrücke angefertigt. Bei Kriegsende war der Bau nicht fertigt. Angeblich stellten die Franzosen sofort die Arbeit ein, als sie davon erfuhren. Das Bauwerk wurde unter Leitung von Johann Scheidler später fertiggestellt. In der Ausstellung sind außerdem Fotos von Urban zu sehen, der die Sanierung 2014 dokumentiert hat, dazu allerlei Originalteile, die dabei geborgen wurden, etwa ein Bohrkern mit Beton aus dem Ersten Weltkrieg.

Die Ausstellung wird am Sonntag, 24. April, um 11.30 Uhr im Heimat- und Torfmuseum eröffnet und ist bis 24. Juli im Museum zu sehen. Am 4. Juni gibt es außerdem ein Brückenfest.

© SZ vom 23.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: