Gröbenzell:Flugscham

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Vermitteln demnächst keine Reisen mehr: das Ehepaar Ariane Zuber und Walter Voit aus Gröbenzell. (Foto: Carmen Voxbrunner)

Ariane Zuber und Walter Voit schließen nach 35 Jahren ihr Reisebüro - auch aus Umweltschutzgründen

Von Ariane Lindenbach, Gröbenzell

"Aus Gewissensgründen" werde sie die Arbeit in ihrem mit ihrem Mann Walter Voit betriebenen Reisebüro "A bis Z Reisen" allmählich beenden. Dies teilte Ariane Zuber, Vorsitzende des Ortsverbands von Bund Naturschutz in Gröbenzell, jüngst beiläufig bei der Aufstellungsversammlung der Grünen zur Kommunalwahl mit. Der Naturschutzaspekt ist allerdings nur einer von mehreren Gründen, weshalb die langjährige BN-Vorsitzende und ihr Mann, ebenfalls schon viele Jahre Chef der Grünen, das Geldverdienen mit dem Verkauf von Reisen in ferne Länder in Zukunft sein lassen werden.

"Flugscham" - das Wort hört man öfter seit den Fridays-for-Future-Demos. Auch scheint allgemein ein Bewusstsein zu wachsen, dass es Luft und Wasser schadet, wenn Tausende Personen mit Schweröl verbrennenden Schiffen die entlegensten Winkel der Welt befahren oder so sensible Gebiete wie das von Touristenmassen und Hochwasser zunehmend bedrohte Venedig ansteuern.

"Als wir das 1985 angefangen haben, da waren Flugreisen noch etwas Besonderes", damals sei noch nicht jeder mit dem Flugzeug für seinen acht- oder 14-tägigen Urlaub einmal um den halben Globus gejettet, erläutert Voit. Heute ist das für viele Menschen völlig normal. "Weil es einfach billiger geworden ist", wie Zuber ergänzt. Das belegen auch Zahlen, die der World Wide Fund For Nature (WWF) 2015 veröffentlichte. Damals waren laut Forschungsgemeinschaft Urlaub und Reisen 57 Prozent der deutschen Urlauber nicht bereit, weniger zu verreisen. 52 Prozent lehnten den Verzicht auf eine Flugreise für das Klima ab. Laut WWF bleiben somit die größten Verursacher von klimaschädlichen Gasen erhalten; der Anteil des durch Flugfernreisen verursachten Klimakillers in der deutschen Tourismusbranche wird mit 15 bis 20 Prozent angegeben. Dass weder die regelmäßigen Fridays-for-Future-Demonstrationen noch der heiße Sommer 2018 die Nachfrage nach Flügen sinken lassen, belegen aktuelle Zahlen des Bundesamtes für Statistik.

Gegenüber dem ersten Halbjahr 2018 nahm das Passagieraufkommen ins Ausland 2019 um 4,5 Prozent auf 47,3 Millionen zu. Die Entwicklung der Passagierflüge läuft diametral konträr zur Einstellung von Voit und Zuber. Von Anfang an habe sich ihr grünes Gewissen geregt, wenn sie beispielsweise für einen Geschäftskunden einen Hin- und Rückflug mit der Concorde in die USA an einem Tag gebucht habe, erzählt Ariane Zuber. Und die Branche entwickelte sich weiter. Mit Billigfliegern und Flügen für zweistellige Beträge, die bis dato das halbe Monatseinkommen eines Durchschnittsverdieners gekostet hatten. Zudem ermöglichte das Internet Interessierten, ihre Reise individuell, bequem und billig von Zuhause aus zu buchen. Das Ergebnis sind die aktuellen Zahlen bei Flugreisen und CO₂-Ausstoß. "Die Leute machen so unsinnige Dinge, es gibt zum Beispiel die Flugverbindung München - Nürnberg drei Mal am Tag", erklärt Voit. Derartiges hätten sie immer weniger mit ihrem Engagement für Umwelt und Naturschutz vereinbaren können. Hinzu kämen die Kreuzfahrtschiffe, die Meere und Luft gleichermaßen verpesten. Und der Fakt, dass die Politik nach wie vor keine Steuer auf den Fliegertreibstoff Kerosin erhebt. All das waren für die Gröbenzeller Gründe, ihr als GmbH geführtes Reisebüro nun aufzugeben (nur ein paar Stammkunden werden noch bedient). Hinzu kamen wirtschaftliche Aspekte, etwa dass der Verkauf von Flügen Reisebüros keine Gewinne mehr bringt und diese alternativ mit Pauschalreisen Geld machen können - auch das eine Nische, die den beiden missfällt. Und auch das Alter spielte bei der Entscheidung freilich eine Rolle. Würden beide heute noch einmal ein Reisebüro eröffnen, dann würden sie wohl von vornherein ökologisch unbedenkliche Urlaube anbieten.

© SZ vom 28.12.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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