Gröbenzell:Familienalltag in der Krise

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Alle an einem Tisch (von links): Ella, Ralph-Dieter, Julian, Martina und Sylvan Streble in Home-Office und Home-Schooling. (Foto: Günther Reger)

Martina Streble und ihr Mann Ralph-Dieter kümmern sich neben der Arbeit im Home-Office noch um ihre drei Kinder, vom Kindergarten bis zum Gymnasium. Dafür brauchen sie ein gutes Zeitmanagement - und noch bessere Nerven

Von Andreas Ostermeier, Gröbenzell

Es ist laut im Haus der Strebles in Gröbenzell. Der vierjährige Sohn hat einen Freund zum Spielen da, und die beiden Buben toben lautstark durchs Wohnzimmer. Ganz normal bei zwei Jungs in diesem Alter. Eigentlich nicht der Erwähnung wert. Doch im Lockdown strapaziert das Verhalten der Buben die Nerven der anderen Familienmitglieder mehr als sonst. Die Strebles sind meist alle zuhause, der ältere Sohn Julian und die Tochter Ella verfolgen in ihren Zimmern den Schulunterricht, Mutter Martina Streble und ihr Mann Ralph-Dieter arbeiten im Home-Office. Da stört der Lärm, den Sylvan und sein Spielkamerad machen besonders. Martina Streble empfindet den Lockdown als anstrengend. Sie wäre froh, wenn er bald vorbei wäre, sagt sie.

Streble arbeitet freiberuflich für einen kleinen Verlag. Sie kümmert sich ums Marketing, ist aber auch Autorin. Gerade hat sie die Arbeiten für das Heimat- und Sachbuch des Landkreises abgeschlossen. Ein schönes und informatives Buch für Dritt- und Viertklässler im Landkreis ist es geworden. Martina Streble hat daran als Autorin viele Stunden gearbeitet. Sie sitzt meist im Wohnzimmer, dort ist ihr Homeoffice. Ruhig ist es da selten, denn oft hält sich auch der Vierjährige in diesem Raum auf. Klar, der Bub kann sich auch selbst beschäftigen. Doch von langer Dauer ist das bei einem kleinen Kind nicht. Dann ist die Mama Gesprächspartnerin, soll Fragen beantworten, Geschichten erzählen oder helfen, die Langeweile zu vertreiben. Konzentriertes Arbeiten fällt da schwer. "Das Buch fertig zu kriegen, war schwer", sagt Streble. Auch an Wochenenden hat sie gearbeitet.

Streble erzählt, dass sie in Arbeitsphasen, in denen sie unbedingt Ruhe brauchte, ins Schlafzimmer gewechselt sei. Dort hat sich ihr Mann einen Arbeitsbereich eingerichtet. An vier von fünf Arbeitstagen kommt er seinen beruflichen Aufgaben von zuhause aus nach. Als die Arbeit für das Buch zunahm, kümmerte er sich um die Kinder, damit seine Frau ungestört war. Das gemeinsame Zuhausearbeiten von Eltern und Kindern verlangt aber nicht nur räumliche Flexibilität, auch mit den Arbeitszeiten müssen die Ehepartner jonglieren. Sie arbeite besser nachmittags als am Abend, sagt Martina Streble, ihr Mann könne auch am Abend noch Aufgaben erledigen. Gemäß dieser Vorlieben lässt sich auch die Zeit mit den Kindern einteilen.

Die haben ihre eigenen Zeitpläne. Punkt 7.55 Uhr geht es los im Hause Streble. Dann beginnt die Videokonferenz der ersten Stunde im Gymnasium Gröbenzell. Der zehn Jahre alte Julian muss am Laptop sitzen, denn die Anwesenheit der Schüler wird kontrolliert. "Das ist der Startschuss für unseren Tag", sagt die Mutter. Unterrichtet wird meist in Doppelstunden, so müssen auch die Lehrkräfte nicht ständig wechseln. Das bedeutet aber auch, dass zu Beginn der dritten und der fünften Stunde ebenfalls die Anwesenheit der Gymnasiasten kontrolliert wird. So viel Anwesenheit vor dem Bildschirm erfordert der Grundschulunterricht der Tochter nicht. Sie besucht die dritte Klasse. Eine Videokonferenz pro Woche reicht. In dieser werden die Arbeitsaufträge besprochen. An den anderen Tagen lernt Ella mithilfe der Aufgaben, die ihre Lehrerin digital hinterlegt.

Der Unterricht zuhause sei besser geworden, als während des Lockdowns im vergangenen Frühjahr. Technische Fehler hätten abgenommen, die Lehrkräfte nutzten die Möglichkeiten besser und die Schüler seien besser vorbereitet. Dennoch stellt der Distanzunterricht viele Familien vor große Herausforderungen. Streble berichtet von der Mutter einer anderen Schülerin. Die habe viel mehr Hausaufgaben als Ella, sagt Martina Streble, weswegen auch die Mutter der Schülerin bis in den Abend hinein beschäftigt ist.

Schule ist aber nicht alles. Auch die Nachmittage wollen bewältigt werden - mit Home-Office und den Kindern im Haus. Denn die Angebote an Sport und Musik leiden ebenfalls unter den Auflagen der Pandemiebekämpfung. So fällt das Fußballtraining für den älteren Sohn ebenso aus wie das Leistungsturnen der Tochter. Ella versucht sich mit den Videoangeboten ihres Vereins fit zu halten. Ein gleichwertiger Ersatz für das Turnen ist das nicht, und "Geräte haben wir nicht im Haus", sagt die Mutter. Dafür aber ein Klavier. Auf dem zu spielen, lernt der ältere Sohn. Und dies gelingt auch während des Lockdowns recht gut. Wenn Klavierstunde ist, ruft der Lehrer an. Das Telefon wird dann aufs Musikinstrument gelegt, der Sohn spielt, der Lehrer hört zu, lobt, korrigiert und verbessert. So geht das schon seit vergangenem Frühjahr - und dem Sohn gefällt das. Er spiele öfter Klavier- als vor der Pandemie, erzählt die Mutter.

Der Klavierunterricht blieb eine Konstante, auch als die Familie in Quarantäne musste. Schon zweimal passierte dies den Strebles. Als der ältere Sohn Husten hatte, gingen er und sein Vater zum Corona-Test. Julian bekam ein negatives Ergebnis, der Vater, obwohl symptomfrei, ein positives. Daraufhin mussten sämtliche Familienmitglieder zuhause bleiben. Ähnlich lief es beim zweiten Mal. Der jüngere Sohn reagierte positiv auf einen Corona-Test und musste aus dem Kindergarten genommen werden. Weil der Vater bereits eine Ansteckung mit dem Virus hinter sich hatte, kümmerte er sich um den Jüngsten. Die anderen Familienmitglieder hielten Abstand - so gut das geht, wenn man in einem Haus wohnt - und blieben von einer Ansteckung mit dem Virus verschont.

Familie Streble hat also viel Erfahrung mit dem Virus und den Regelungen zu seiner Eindämmung gemacht. Homeoffice und Homeschooling, Quarantäne und Ansteckung, die Bemühungen von Schulen und Kindergarten, mit den Veränderungen zurecht zu kommen. Der Distanzunterricht läuft nach Ansicht von Streble besser als im vergangenen Jahr, und auch der Kindergarten kümmere sich nun mehr. Von dem war sie im ersten Lockdown enttäuscht. Sylvan habe über Monate nur wenig von seinem Kindergarten gehört, sagt die Mutter. Als Dreijähriger - im ersten Kindergartenjahr - habe er erst im Juli wieder seine Gruppe besuchen dürfen. Davor habe er die Lust verloren, zu weit weg waren seine Kindergartentage. Diesmal soll es anders laufen. Ähnlich wie in der Grundschule soll er Aufgaben erhalten.

Während der Vierjährige darauf wartet, sich im Kindergarten eine Aufgabe abholen zu dürfen, sehnt sich Martina Streble nach der Ruhe im Haus, wie sie vor Corona geherrscht hat. Kürzlich hat sie wieder erfahren, wie das ist. Ihr Mann ging mit den Kindern zum Schlittenfahren - und sie war allein und ungestört im Haus.

© SZ vom 16.01.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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