Gröbenzell:Erdverhaftetes Klangspektrum

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Begleitet werden die tschechischen Musiker im zweiten Teil des Konzerts von Dinis Schemann am Klavier. (Foto: Reger)

Gelungenes Gastspiel des Talich-Streichquartetts in der Steiner-Schule

Von Klaus Mohr, Gröbenzell

Bei Streichquartetten ist es manchmal wie bei Sängern: Sie sind an ihrem spezifischen Ton zu erkennen, an der Färbung des Klangs oder am Zugriff des Bogens auf die Saiten. Das ist zunächst verwunderlich, weil sich die oft auch individuellen Anlagen einer Stimme scheinbar auf vier Instrumente und deren Spieler übertragen lassen. Das Talich Quartett mit Jan Talich Jr. und Roman Patočka (Violine), Vladimír Bukač (Viola) und Petr Prause (Violoncello), das am Samstag zum Saison-Abschuss der Gröbenzeller Konzertreihe in der Steiner-Schule gastierte, ist so ein Ensemble. Gegründet wurde das Quartett vor einem halben Jahrhundert in Prag, und obwohl keines der Gründungsmitglieder mehr dabei ist, konnte sich wohl doch eine besondere Klangtradition erhalten.

Sie wird von allen Musikern ganz selbstverständlich verkörpert. Ausgangspunkt des scheinen Charakteristika slawischer Sprachen zu sein: Im Klang verbindet sich ein oft erdverhaftetetes Timbre mit hohem Obertonreichtum, was nach Widerspruch aussieht, den Eindruck aber am treffendsten in Worte fasst. Töne kommen hier nie aus dem Nichts, sondern haben immer einen klaren Ansatz des Bogens auf der Saite, vergleichbar etwa Konsonanten, die prägnant beginnen. Das Quartett wird konsequent vom Primarius geführt, ein musikalisches Merkmal, das auch optisch nachzuvollziehen war. Die ganz schwarz gekleideten Musiker trugen in ihren Lackschuhen Schnürsenkel in unterschiedlichen Farben. Aber nur beim Primarius fand sich die rote Farbe auch als Rand des Hemdkragens wieder, symbolisch damit quasi eine Führung von Kopf bis Fuß.

Joseph Haydns Streichquartett in D-Dur Hob. III:63, das sogenannte "Lerchenquartett", eröffnete das Programm. Leicht und duftig kam der Themeneinsatz in der ersten Violine nach einleitendem Fundament der Partner und auf dieser Woge schwebte der Klang in hoher Intonationsreinheit und ausgeglichener Balance durch den Saal. Wie eine Arie für Geige mutete das Adagio an, während vom Menuetto höfischer Charme ausging. Federnd leicht und in hoher Prägnanz beschloss das Finale pulsierend das Werk.

Leoš Janáčeks erstes Streichquartett mit dem Beinamen "Kreutzersonate" folgte. Auch wenn der Hörer eine klangliche Verbindung zur namensgebenden Beethoven-Violinsonate nicht herstellen konnte, beeindruckte die Intensität von Ton und Zusammenspiel in hohem Maß. Die Farbigkeit der Wiedergabe fächerte reiche Klangfacetten und plastisch herausgearbeitete Ausdrucksebenen auf. Wie ein Erzählduktus tauchte die gleiche Motivik in verschiedenen Instrumenten immer wieder auf.

Nach der Pause ergänzte der Pianist Dinis Schemann das Talich Quartett im Klavierquintett in f-Moll op. 34 von Johannes Brahms. Das Klavier war sowohl Impulsgeber als auch verbindendes Element im Gesamtklang, so dass keinerlei Diskrepanz zwischen Pianist und Streichern entstand. Im Vordergrund stand stets ein sehr sensibel austariertes Kammermusikspiel, das nicht den Hauch von kraftstrotzender Monumentalität hatte. Aus der Phrasierung ergaben sich im Andante quasi syntaktische Einheiten, die den liedhaften Charakter betonten. Am Ende gab es begeisterten Applaus für die Geschlossenheit der Interpretationen und eine Zugabe.

© SZ vom 19.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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