Gröbenzell:Eine Henne zum Kuscheln

Lesezeit: 3 min

Haustiere müssen nicht immer nur Katzen oder Hunde sein. Dem Modetrend folgend steht am Wochenende bei der Ampertal-Vogelschau in Gröbenzell die Haltung von Hähnen und Hühnern im Mittelpunkt. Das Interesse ist groß

Von Gerhard Eisenkolb, Gröbenzell

Eine Hühner- und Vogelausstellung ist auch für einen Hahn ermüdend. Kurz vor zwölf Uhr hat der japanische Zwerghahn der Okina-Chabo-Rasse genug davon, sich am Sonntag bei der Ampertal-Vogelschau vor Besuchern der Wildmooshalle in Gröbenzell aufzuplustern oder nach Körnern zu scharren. Er macht es sich auf dem Laub in der Voliere gemütlich, schaut kurz mit treuherzigem Blick in die Runde, was besagt, es geht mir gut, um dann den Kopf unter den dichten Halsfedern zu vergraben. Um zu erkennen, was das prächtige Zuchttier ankündigt, muss man kein Tierexperte sein. Zuerst räkelt der Hahn sich fast wie ein Mensch auf dem Sofa, tut dann stolz kund, dass die um ihn versammelten Hennen seine Familie sind, um dann eine Siesta zu machen. Gerhard Wendl vom Rassegeflügel- und Vogelzuchtverein Gröbenzell nennt das fachmännisch "Komfortverhalten".

Wendl hat sich gerade von mehreren Interessenten, die einem Modetrend folgend in ihrem Hausgarten Hühner halten wollen, über eine Stunde lang geduldig mit Fragen löchern lassen. Eigentlich ist es schade, dass Monika W. schon gegangen ist, um ihre Kaninchen und Hamster zu füttern. Die Gröbenzellerin sah in der Halle ihre Liebe zum Federvieh bestätigt und möchte im Garten zusätzlich noch zwei "zutrauliche Hühner" halten. Sie sucht ein "Kuschelhuhn", was sie ausdrücklich betonte, und wäre von dem Chabo-Hahn bestimmt begeistert. Für ihr Anliegen Kuschelhuhn ist Wendl der richtige Ansprechpartner. Bei ihm in Olching dürfen die Hühner abends im Wohnzimmer schon mal auf dem Schoß kuscheln, so wie man es von Katzen kennt. Nach eingehender Beratung entscheidet sich die Gröbenzellerin für zwei flauschige Lachshühner, die als sehr zutraulich gelten, sich leicht im Freien halten lassen und nicht sofort auf das nächste Hausdach oder den nächsten Baum auf Nimmerwiedersehen entfleuchen, wie es der Vogelexperte prophezeit, hätte sich Monika W. für die jungen Sebright-Zwerghähne mit schwarz gesäumten braunen Federn aus dem Nachbargehege entschieden. Zu kaufen sind die ausgestellten Tiere sowieso nicht. An diesem Wochenende geht es ums Kennenlernen der Rassen, ihrer Eigenheiten und ihre Haltung. 25 Besucher berät Wendl bis Sonntagmittag. Auch auf die Frage, ob die auf der Liste gefährdeter deutscher Haustiere stehenden Lachshennen wirklich keinen Hahn brauchen, hat er die passende Antwort: "Hennen sind ohne Hahn genauso glücklich", sagt der 70-Jährige, der schon als Kind auf dem Bauernhof Hühner hatte und in Olching eine Vogelauffangstation betreibt.

Die neue Liebe zum Huhn im Hausgarten - ein Discounter bietet im Onlinehandel sogar schon Hühnerkäfige an - überrascht den Olchinger nicht. "Hühner sind völlig zahm, lassen sich mit Würmern zähmen und laufen zutraulich hinterm Besitzer her", berichtet Wendl. Die meisten der alten, früher auf Bauernhöfen gehaltenen Rassen wie die "Augsburger Hühner" oder "Appenzeller Spitzenhauben" sind vom Aussterben bedroht. Oft sind deren Liebhaber in Zuchtvereinen die einzigen, die diese Tiere noch halten. Auch die sechzehnjährige Jelena möchte daheim Hühner halten, sie ist aber nicht wählerisch. Sie hat schon zwei Küken samt Käfig erworben und findet die ganz süß. "Die werden so zutraulich und sind besser zu halten als ein Hund", stellte Jelena nach einigen Tagen als Kükenersatzmutter fest. Auch wenn die Interessentin viel lernt, belässt es Wendl nicht bei der Beantwortung wichtigster Fragen wie dem Impfen oder der Anmeldung der Tiere beim Veterinäramt . "Da ist es wichtig Kontakt zu halten", sagt er und tauscht mit Jelena die Rufnummer aus.

Prachtexemplare wie die bis zu 90 Zentimeter hohen und bis zu sechs Kilogramm schweren Riesenbrahmas mit stark befiederten Läufen waren im 19. Jahrhundert bei Adeligen in England beliebt. Überhaupt hielt sich früher der Adel Fasanen, Pfauen und schöne Hühner, um Leben in ihre Parks zu bringen, wie Wendl berichtet. Aus seiner Zucht stammen der Königsfasan mit bis zu zwei Meter langen schwarz-braun-weiß gefärbten Schwanzfedern und der blaue Ohrenfasan, dessen blaugraue Federn in Chinas Kaiserzeit nur Hofbeamte, also Mandarine, tragen durften. Hühner und Geflügel waren also nicht nur Nutztiere für kleine Leute. Werden sie gut gepflegt und ernährt, können Hühner 15 bis 20 Jahre alt, also "uralt" werden, lautet Wendls Antwort auf eine weitere Frage. Solche Hühner seien oft Familienmitglieder mit Namen wie Resi und Sepp. Der Vogelexperte wünscht sich für den Landkreis ein Seniorenheim mit Hühnerstall, wie es in Großbritannien in Heimen bereits üblich ist. Dessen Bewohner hätten dann eine Aufgabe und Freude - und zudem vor allem noch viel zu beobachten: Wie sich die Tiere bewegen oder wie ihr Sozialverhalten ist.

© SZ vom 09.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: