Gröbenzell:Der hausgemachte Kollaps

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Werben für die Verkehrswende: Abgeordneter Markus Ganserer (von links), Thomas Brückner vom Verkehrsforum, Grünen-Sprecher Walter Voit. (Foto: Carmen Voxbrunner)

Verkehrsexperte der Landtagsgrünen und Brucker Verkehrsforum plädieren für Umstieg vom Auto auf Bus, Bahn und Fahrrad

Von Gerhard Eisenkolb, Gröbenzell

Der tägliche Verkehrskollaps auf den Straßen im Landkreis ist nicht in erster Linie eine Folge des Bevölkerungswachstums, sondern vor allem darauf zurückzuführen, dass Mobilität seit Jahrzehnten falsch organisiert wird und beim Städtebau falsche Prioritäten gesetzt werden. Der Landkreis erstickt im Autoverkehr, weil das Allheilmittel zur Lösung der Verkehrsprobleme lautet: Straßen zu bauen, Straßen auszubauen, Ortsumgehungen zu bauen. Mit der fatalen Folge, dass der Autoverkehr weiter zunimmt. Zu lösen ist das Problem mit einer radikalen Verkehrswende weg vom Auto und Straßenbau hin zur Stärkung des Personennah- und Radverkehrs. Mit solchen, auch provozierenden Thesen haben am Montagabend der Verkehrsexperte der Landtagsfraktion der Grünen, Markus Ganserer, und Thomas Brückner vom Verkehrsforum Fürstenfeldbruck bei einem Informationsabend der Gröbenzeller, Eichenauer und Puchheimer Grünen im Bürgerhaus von Gröbenzell die Frage beantwortet, wie in Zukunft der Verkehr im Großraum München noch zu bewältigen ist.

Brückner bezeichnete den Bundesverkehrswegeplan als das "Schlimmste", was München passieren könne. Der Ausbau der Autobahnen und Straßen vom Umland in die Landeshauptstadt beschleunige den Verkehrskollaps, weil das eigentliche Problem die Pendlermassen seien, die sich täglich mit dem Auto auf den Weg nach München begeben. Da gezielt dort Straßen gebaut und ausgebaut würden, wo es staue, würden auf diese Weise die Stauschwerpunkte nur in andere Bereiche verlagert. Als Beispiel für ein solches Negativprojekt erwähnte Brückner die bereits genehmigte, aber noch nicht gebaute Südwestumfahrung von Olching. Diese neue Trasse werde zwar die aufstrebende junge Stadt im Ortszentrum entlasten, aber mehr Verkehr für die Nachbarn Gröbenzell, Eichenau und Puchheim nach sich ziehen. Ganz einfach deshalb, weil für Pendler mit der Olchinger Umgehung eine attraktive Ausweichtrasse nach München geschaffen werde.

Der Abgeordnete Ganserer zeigte auf, wie sich das Grundbedürfnis, sehr mobil zu sein, auch ohne eigenes Auto verwirklichen lässt. Der Grüne sagte, er habe gesunde Füße, ein Fahrrad, eine Netzkarte der Bahn, jeweils eine Jahreskarte für die Verkehrsverbünde in München und Nürnberg sowie Zugang zu einem Carsharing-System in ganz Deutschland. Sollte es mal eng werden, könne er sich auch ein Taxi leisten. Auch Menschen, die kein solches Rundumpaket für den öffentlichen Personenverkehr besitzen oder mal das Geld für ein Taxi haben, können laut Ganserer einen Beitrag zur Reduzierung des motorisierten Individualverkehrs leisten. Dabei geht es auch um Kleinigkeiten und Selbstverständlichkeiten. Es genüge, das Auto für Kurzstrecken stehen zu lassen und stattdessen auf den Bus oder das Fahrrad umzusteigen oder gleich zu Fuß zu gehen. Schließlich seien 80 Prozent der zurückgelegten Wegstrecken kürzer als fünf Kilometer und nur zehn Prozent aller Wege länger als 30 Kilometer.

Der Verzicht aufs Auto im eigenen Lebensumfeld setzt jedoch einen entsprechenden Städtebau samt passender Infrastruktur voraus. Das heißt, attraktive Fuß- und Radwege, zu Fuß oder mit dem Fahrrad zu erreichende Einkaufsmöglichkeiten oder Supermärkte in den Zentren und nicht an der Peripherie. Liegt die nächste Bushaltestelle von der Wohnung ebenso weit entfernt wie die eigene Garage, dann steigt der Anreiz, anstelle des Autos gleich den Bus zu nehmen. Dagegen verleitet ein Supermarkt auf der grünen Wiese mit langen Anfahrtswegen über Ortsumfahrungen nur dazu, ins Auto zu steigen. Ganserer forderte, den Investitionsschwerpunkt vom Straßenbau auf die Förderung des öffentlichen Personennahverkehrs und des Radwegebaus zu verlagern. Nach den Worten des Landtagsabgeordneten bringt auch der milliardenteure Bau der zweiten Stammstrecke in München kaum einen Nutzen für die Pendler, weil das Geld für Verbesserungen auf den S-Bahnaußenästen fehle.

© SZ vom 09.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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