Gröbenzell:Am Puls der Zeit

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Die Volkshochschule gehört zu den erfolgreichsten Einrichtungen in der Region. Nun feiert sie ihr 70-jähriges Bestehen mit einem Tag der offenen Tür

Von Peter Bierl, Gröbenzell

Die Volkshochschule (VHS) Gröbenzell feiert am Wochenende ihr 70-jähriges Bestehen. Am Samstag findet ein Tag der Offenen Tür statt, zu dem alle Bürger eingeladen sind. Bereits am Freitag findet ein Festakt für ausgewählte Gäste statt, auf dem Klaus Meisel, Vorsitzender des bayerischen Volkshochschul-Verbands, zum Thema "Wie viel VHS braucht die Stadt?" sprechen wird. Die Gröbenzeller scheinen jedenfalls so bildungsaffin zu sein, dass sie viel brauchen, denn die VHS bietet pro Semster etwa tausend Kurse und lockt damit rund 15 000 Menschen an. Die Einrichtung liegt damit in einem bayernweiten Ranking weit vor den Häusern in den größeren Nachbarstädten. "So richtig können wir uns das aber nicht erklären", sagt Beate Abel-Riemensperger, die Leiterin zu dem Vorsprung.

Die VHS bietet pro Semster etwa tausend Kurse an. (Foto: Carmen Voxbrunner)

Zumal die Erwachsenenbildung in der Gartenstadt mit einem gravierenden Nachteil zu kämpfen hat. Das Büro ist zentral im Bürgerhaus untergebracht, aber die Kurse sind verstreut auf elf verschiedene Standorten, ein logistischer Kraftakt für die acht Mitarbeiterinnen. Daran wird sich so schnell nichts ändern. Die Kommunalpolitiker haben weder den Wunsch goutiert, im Neubau des Rathauses ein Zuhause zu finden, noch der Einrichtung zum Geburtstag ein solches Präsent gemacht. Die Volkshochschule wird sich also darauf beschränken, in den nächsten Jahren die Qualität weiter zu steigern und wenigstens die Ausstattung der Räume zu verbessern.

Beate Abel-Riemensperger ist als Leiterin auch für die Gestaltung des Programmes zuständig. (Foto: Johannes Simon)

Das Angebot ist durchaus typisch für die Zeit. Der Gesundheitsbereich ist stark vertreten, ebenso Beruf und EDV, dazu die Sprachkurse, darunter neuerdings die Sparte Deutsch für Einwanderer. Groß geschrieben wird seit jeher der Bereich der politischen Bildung, Geschichte, Philosophie und Religion, was sich auch im Semesterprogramm zum Geburtstag ausdrückt, mit Vorträgen über Nelson Mandela und Kurt Eisner, das Kommunistische Manifest und Israel, dessen Staatsgründung ebenfalls 70 Jahre zurückliegt.

Im Unterschied zu anderen Institutionen hat die VHS zum Jahrestag aber keine Chronik veröffentlicht. "Es gibt einfach kaum Unterlagen", sagt Abel-Riemensperger. Im aktuellen Programmheft ist lediglich auf zwei Seiten eine Zeitleiste mit Eckdaten abgedruckt. Nach dem Zweiten Weltkrieg fand sich eine Gruppe von Menschen im Landkreis, denen Erwachsenenbildung am Herzen lag. In Gröbenzell initiierte Gertrud Kreuz einen Zweig, der 1948 erste eigenen Veranstaltungen bot. Klassische Bildung stand im Vordergrund, sagt die Leiterin, Vorträge über Literatur und Kunst, dazu ein bisschen Englisch und Buchführung. 1952 wurde die VHS Gröbenzell als eigener Verband gegründet, mit Martin Schöpe als erstem Vorsitzenden, dem bald Otto Zierer folgte, der das Amt bis 1973 innehatte und die Einrichtung prägte. Gleichzeitig leitete er den VHS-Kreisverband bis es zum Streit um den Führungsstil kam.

Über Zierer ließe sich einiges Material auftreiben, denn der Mann war im Nachkriegsdeutschland Bestseller-Autor, behängt mit Verdienstorden. Seine Karriere startete Zierer 1931 in Ingolstadt, wo er für den Donauboten schrieb, das lokale Nazi-Blatt. Im gleichen Jahr trat er erstmals der NSDAP bei. 1938 publizierte Zierer einen völkischen Fortsetzungsroman im Angriff, dem Kampfblatt von Josef Goebbels.

In seinen millionenfach verkauften Nachkriegswerken fabulierte Zierer etwa über "Negerhorden" und das Wirken des Weltjudentums. 1958 diffamierte er Kurt Eisner, den von einem Faschisten ermordeten ersten bayerischen Ministerpräsidenten, als Fantasten und Fanatiker und behauptete, dessen Familie stamme aus dem Osten und habe Kosmanowski geheißen. Die Enkelin Freya Eisner wies das Stereotyp des ostjüdischen Verschwörers zurück. Der Bayrische Rundfunk urteilte, Zierer sei "im Schnellschreiben geübt und mit Unkenntnis geschlagen". Ihr sei das alles unbekannt, sagte Abel-Riemensperger, zeigte sich jedoch interessiert an einer Aufarbeitung. Das Jubiläum am Wochenende steht hingegen im Zeichen der Zukunft.

Der Tag der offenen Tür zu 70 Jahren VHS Gröbenzell, Samstag, 22. September, von 12 bis 18 Uhr im Bürgerhaus, mit Angeboten für Kinder und Erwachsene

© SZ vom 21.09.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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