Gröbenzell:Alle zehn Minuten eine Zukunftschance

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Erstkontakt: Elke Kutscherauer (Hintergrund links) und Stefanie Schraa von der Gemeinde informieren über die Gröbenzeller Verwaltung. (Foto: Carmen Voxbrunner)

Das erste "Job-Speed-Dating" von der Gemeinde erzielt eine gute Resonanz: Mehr als 100 Wiedereinsteiger nehmen Kontakt mit Firmen auf

Von Kristina Kobl, Gröbenzell

Die meisten Vorstellungsgespräche laufen ähnlich ab: Ein kleiner Raum, Tür zu, auf dem Tisch halbvolle (oder halbleere) Wassergläser. Jedenfalls ist die Atmosphäre meistens angespannt und die Gefahr, erst nach einer Stunde aus dieser Anspannung befreit zu werden, groß. Ganz anders verliefen kürzlich an einem Vormittag über 100 Bewerbungsgespräche im Freizeitzentrum in Gröbenzell: In einem großen Saal mit 15 improvisierten Besprechungszimmern ohne Türen treffen Bewerber auf Firmen aus der Umgebung. Die Gemeinde Gröbenzell veranstaltet mit der Agentur für Arbeit und dem Jobcenter Fürstenfeldbruck ein Speed-Dating für Frauen und Männer, die nach einer Familienphase wieder ins Berufsleben einsteigen wollen. Alle elf Minuten - nein, alle zehn Minuten ein neues Date, hoffentlich mit Zukunftschancen.

Iwona Biskup-Geiser hat gleich drei Dates. Die gelernte Dolmetscherin aus Fürstenfeldbruck hat zwischen den Geburten ihrer beiden Kinder zwei Tage pro Woche im Büromanagement gearbeitet. Jetzt sind ihre Kinder eineinhalb und viereinhalb Jahre alt und sie will wieder durchstarten - mit einer Umschulung zur Industriekauffrau. Sie stellt sich bei "Kitchen4me" vor, bei "Rent a Lift " und bei der Gemeinde Gröbenzell. Dann möchte sie noch mit Herrn Wolf vom Jobcenter Fürstenfeldbruck sprechen, um sich über die Möglichkeiten zur Umschulung zu informieren, sagt die 33-Jährige.

Nicht nur sie nutzt die Optionen bei der etwas andere Jobmesse: Die 100 Sitzplätze reichen nicht für alle Gäste aus. Hauptsächlich Frauen bewerben sich um einen Wiedereinstieg. Unter den Interessierten finden sich auch Frauen und Männer, die sich nach einer Umschulung oder einer neuen Stelle umsehen wollen. Der 26-jährige Lucas Laurenti ist gelernter Bürokaufmann und hat sechs Jahre lang in dem Beruf gearbeitet. Er strebt eine Umschulung in der IT-Branche an: als Fachinformatiker für Anwendungsentwicklung. Beim Speed-Dating stellt er sich bei der Firma AZ und bei Grüne Welt vor. Eigentlich würde er jedoch gerne bei einem größeren Unternehmen arbeiten. Beworben hätte er sich auch ohne die Speed-Dating-Aktion.

Jede Firma wird zunächst durch einen Vorgesetzten vorgestellt. "So kann man seinen potenziellen Chef schon vor dem eigentlichen Bewerbungsgespräch kurz sehen", sagt Maria Kappes, Gleichstellungsbeauftragte der Gemeinde, die mit ihrer Kollegin, der Wirtschaftsförderin Raffaela Scelsi, den Aktionstag ins Leben rief. Dann hat man genau zehn Minuten zum persönlichen Kennenlernen. Wenn der Gong ertönt, ist der nächste Bewerber dran. Während in fast allen offenen Besprechungszimmern Menschen bei Gesprächen sitzen, stehen viele herum und warten auf ihren nächsten Termin. Immerhin sind fast sieben Mal so viele Bewerber wie Unternehmen da. Und die wollen teilweise ganz neu anfangen: Isabel Cugat Schoch arbeitet im Veranstaltungsmanagement. Zur Arbeit hat sie eine Stunde Fahrzeit. Deswegen sucht sie eine neue Arbeitsstelle - und weil ihre beiden Kinder mittlerweile Teenager sind. "Ich bin jung Mutter geworden. Jetzt ist für mich der richtige Zeitpunkt, um noch einmal etwas Neues anzufangen." Sie möchte mit Menschen arbeiten, etwa in der Beratung, und hat schon zwei Termine für den Vormittag: bei der Gemeinde und der Parfümerie Nöth. Weil die Hausverwaltung Reich bis 13 Uhr ausgebucht sei, habe sie dort ihren Lebenslauf hinterlassen. Die Ansprüche der Unternehmen sind unterschiedlich. Oft werden PC-Kenntnisse vorausgesetzt, ein Führerschein oder Fähigkeiten wie Kreativität und technische Affinität. Andere hingegen wünschen sich ein Architekturstudium oder eine abgeschlossene kaufmännische Lehre.

Doch nach der Veranstaltung wird klar: Die Wiedereinsteiger wurden den Ansprüchen gerecht. Viele Bewerber seien für die 450-Euro-Minijobs überqualifiziert gewesen, sagten die Firmen gegenüber den Veranstaltern. Scelsi sieht die Vorteile auch durch das breite Netzwerk in Gröbenzell. "Selbst wenn kein Architekt da war, geben die Leute das weiter, dass einer gesucht wird." Mit der Gemeinde suchten 25 Personen das Gespräch. Fast alle Listen der Unternehmen seien übervoll gewesen - lediglich beim Hausmeisterservice und der Landschaftsgärtnerei waren nur eine Handvoll Bewerber eingetragen. Trotzdem konnten individuelle Lösungen gefunden werden, zum Beispiel durch Umschulungen mithilfe des Jobcenters, wie Scelsi erklärt. Zufrieden ist Bürgermeister Martin Schäfer: "Wenn alle wieder mitmachen, machen wir so eine Aktion sicher noch einmal."

© SZ vom 20.11.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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