Grafrath:Sensibler Originalklang

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Virtuosen: Rüdiger Lotter (links), neben ihm stehend Tobias Koch, ganz rechts: Veranstalter Reinhold J. Buhl. (Foto: Günther Reger)

Duoabend mit Rüdiger Lotter und Tobias Koch in Marthashofen

Von KLAUS MOHR, Grafrath

Einen Duoabend, bei dem im Verlauf zwei Flügel und eine Geige, die aber mit drei verschiedenen Bögen gespielt wird, zum Einsatz kommen, gibt es selten. Dass für drei Werke, die mit einem zeitlichen Abstand von knapp einhundert Jahren zwischen 1784 und 1879 entstanden sind, überhaupt unterschiedliches Instrumentarium Verwendung findet, verweist auf instrumentenbauliche Veränderungen, die sich ganz zwangsläufig auch auf die entstandenen Kompositionen ausgewirkt haben. Die Idee der historischen Aufführungspraxis ist es, nicht jedes Werk mit Instrumenten, die den heutigen Standard im Instrumentenbau repräsentieren, zu spielen, sondern Instrumente und Aufführungspraxis auf die Zeit zurückzuführen, in der die Musik komponiert wurde.

Dieser Idee der historischen Aufführungspraxis ist das von Reinhold J. Buhl begründete Musikhaus Marthashofen seit mehr als 20 Jahren verpflichtet, gleich sechs originale Hammerflügel ermöglichen eine jeweils zeittypische Wiedergabe. Am Samstag musizierten im voll besetzten Saal der Geiger Rüdiger Lotter und der Pianist Tobias Koch mit einem Sonatenabend, bei dem je ein Duowerk von Wolfgang Amadeus Mozart, Ludwig van Beethoven und Johannes Brahms erklangen. Mit der gerade auch für die Geige sehr anspruchsvollen Sonate in B-Dur KV 454 von Mozart begann der Abend. Es gab vom ersten Ton an keinen Zweifel daran, dass die beiden Musiker ihren Instrumenten alle Töne mit wunderbarer Sensibilität entlockten. Da gab es keine Härte, keine Ungeschicklichkeit oder auch nur Unachtsamkeit, so dass der Eindruck entstand, dass solche Klangqualität auch Mozart zufriedengestellt hätte. Die Satzschlüsse waren durchweg als selbstverständliches Ende einer Phrase interpretiert, ohne großes pathetisches Gehabe. Die Tempoarchitektur bei der Mozart-Sonate irritierte allerdings: Der Mittelsatz, ein Andante, war sehr zügig genommen, was besondere Anstrengungen erforderte, die überraschenden Modulationen als organische Aha-Effekte zu inszenieren. Der Finalsatz, ein Allegretto, war hier das, was Schlusssätze oft sind, nämlich ein Allegro. Das nahm dem Satz viel von seiner verspielten Kantabilität.

Beethovens Sonate in a-Moll op. 23 folgte. Auch hier waren sich die beiden Partner in Klang- und Tonvorstellung sehr einig, was in den vielen dialogisierenden Phrasen, die im Kopfsatz (Presto) mal impulsiv-zupackend und mal lyrisch-kantabel komponiert sind, zu einer sehr schönen Übereinstimmung führte. Die dynamischen Kontraste waren charakteristisch herausgearbeitet und die Feinabstimmung im Zusammenspiel gegenüber der Mozart-Sonate deutlich besser gelungen. Auf diese Weise blieb die Spannung über die Pausen im Mittelsatz (Andante scherzoso, più Allegretto) erhalten und gelangen die Steigerungen im abschließenden Allegro molto als veritable Konzentration von klanglicher Entschlossenheit.

Nach der Pause gab es mit der Sonate in G-Dur op. 78 von Brahms eine deutlich andere Klangwelt, was nicht nur dem Flügel von Ignaz Bösendorfer zu verdanken war. Fließendes Tempo ging hier mit einer ganz weichen Interpretationsvorstellung einher, die im Kern auch bei den expressiven Steigerungsmomenten im Vivace nicht aufgegeben wurde. Sonorer Klang, weiche Lagenwechsel beim Geiger und eine manchmal fast mulmige Klangfülle im Bass des Hammerflügels konturierten eine eindrückliche Kantabilität des Klangs. Zwei Zugaben von Fritz Kreisler belohnten die Musiker und auch das Publikum gleichermaßen.

© SZ vom 19.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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