Grafrath:Musikalische Erzähler

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Intimer und gelungener Liederabend in Marthashofen

Von Klaus Mohr, Grafrath

Angesichts neuer Konzertsäle wie der Hamburger Elbphilharmonie oder dem erst am vergangenen Wochenende eingeweihten "Pierre Boulez Saal" in Berlin wird die Frage, welche Musik dort jeweils am besten klingt, intensiv diskutiert. Für einen Saal im Landkreis lässt sich diese Frage eindeutig beantworten: Der Saal im Musikhaus Marthashofen ist aufgrund seiner Anlage und seiner Größe ideal für Kammermusik geeignet. Eine Steigerung ist aber jeweils dann zu erleben, wenn ein Liederabend auf dem Programm steht. Die Vorstellung, einer Schubertiade im frühen 19. Jahrhundert in Wien live beizuwohnen, scheint zum Greifen nahe. Das liegt sicher auch an den historischen Hammerklavieren, deren Klang sich auf wunderbare Weise im Raum entfalten kann. Am Samstag waren dort der Bariton Martin Bruns und der Pianist Christoph Hammer mit einem klug ausgewählten Programm zu hören, das von Ludwig van Beethoven über Franz Schubert und Robert Schumann bis zu Franz Lachner reichte.

Beethovens Liederzyklus "An die ferne Geliebte" op. 98 entstand im Jahr 1816 und war einer Geliebten "im Himmel" gewidmet. Martin Bruns setzte in seiner schlichten Interpretation auf die Kraft der Worte und vermied jegliche Theatralik. Dass er einen nicht zu großen Ton wählte, verband Musik und Raum intensiv miteinander. Die warmen Akkorde des Klaviers stützten den Klang weich ab, so dass sich ein einheitlicher Spannungsbogen entwickeln konnte.

Die Idee, dass sich Komponisten zuerst von bedeutenden Texten inspirieren ließen, bevor sie diese vertonten, brachte Martin Bruns als Hinweis für das Publikum vor der Gruppe von fünf ausgewählten Liedern aus Schuberts Sammlung "Schwanengesang" ins Gespräch. Lautmalerischer Ausdruck, der den Charakter des Liedes unterstrich, war in "Kriegers Ahnung" zu hören: Straffe Punktierungen und eine dunkle Klangfarbe am Beginn im Klavier wichen im weiteren Verlauf einer fließenden Bewegung, die auch durch den lyrischen Ton des Sängers zu einer kurzzeitigen Aufhellung der Stimmung führte. Die konstante, weiche Begleitung im Klavier legte in "Ständchen" die Grundlage für die werbende Melodie des Sängers voll Innigkeit. Das "Fischermädchen" war ein Paradebeispiel für Intimität von Raum und Darbietung, weil der liebliche und kantable Ton bei beiden Partnern weder große Lautstärke noch Stimme erforderte, um den Mittelpunkt des Liedes zu treffen. Von Lied zu Lied nahm die Konzentration auf Seiten der Zuhörer zu, so dass die Spannung in "Die Stadt" geradezu fühlbar wurde: Blitzlichtartige Arpeggien eröffneten das Vorspiel, das mit gewichtigen Worten und Akkorden weitergeführt wurde. Ein fahler Tonfall in der Stimme erhielt beim Wort "Sonne" einen kräftigeren Akzent.

Von anderer Anlage waren die drei Schumann-Lieder nach der Pause. Martin Bruns arbeitete den Erzählton plastisch heraus, wodurch "Dein Angesicht" einen schmeichelnden Charakter erhielt. "Nichts Schöneres" gelang hüpfend und mit positiver Ausstrahlung. Das ruhig fließende Wasser des Rheins, verklanglicht im Klavier, legte die Basis für die verführerischen Töne der Loreley "gedenke mein!".

Der Komponist Franz Lachner war nicht nur ein Freund Schuberts, sondern ab der Jahrhundertmitte auch lange Jahre Generalmusikdirektor in München und damit eine prägende Gestalt des kulturellen Lebens dieser Stadt. Sein kompositorisches Schaffen ist nur teilweise veröffentlicht, und auch zwei der vier Lieder auf Texte Emanuel Geibels, die zum Abschluss des Konzerts auf dem Programm standen, sind nur als Manuskript überliefert. Martin Bruns und Christoph Hammer arbeiteten darin sehr intelligent die Verbindungslinien zwischen ihren beiden Parten heraus, so dass der kraftvolle Zugriff des Sängers in "Muth" den vollgriffigen Akkorden im Klavierpart entsprach. Die Formung einer Linie war beiden Musikern in "Die stille Wasserrose" und "Nachtlied" ein besonderes Anliegen. Durch schönen Legato-Charakter im ersten und durch ein Anschmiegen von Singstimme und Klavier im zweiten Lied kam dies überzeugend zum Ausdruck. Zwei Zugaben belohnten das Publikum für den reichen Beifall zum Schluss.

© SZ vom 07.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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