Grafrath:Lernen unter hohen Bäumen

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Der forstliche Versuchsgarten soll zu einem Walderlebniszentrum aufgewertet werden. Die Pläne sind schon lange fertig, nun müsste der Freistaat noch die Mittel bereit stellen

Von Ingrid Hügenell, Grafrath

Um die 130 Jahre alt und etwa 35 Meter hoch ist der Bergmammutbaum, der aus dem westlichen Nordamerika stammt. Auf Bänken in seinem Schatten sitzen die acht Teilnehmer einer Führung, denen Michaela Amann, Leiterin des forstlichen Versuchsgartens, die Heilkraft der Pflanzen erklärt. Künftig könnten mehr Führungen für Erwachsene und Kinder angeboten werden, außerdem Projekt- und Erlebnistage im Wald.

Denn der Versuchsgarten soll unter dem Namen "Welt.Erlebnis.Wald" zu einem Walderlebniszentrum werden, wie Dirk Schmechel erklärt. Er leitet bei der Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft (LWF) die Abteilung Waldpädagogik und Wissenstransfer und hofft, dass das nötige Geld für dessen Einrichtung in den bayerischen Haushalt für 2018 und 2019 eingeplant wird. Seit drei Jahren gibt es den Plan für das Walderlebniszentrum.

Neun solcher Zentren existieren in Bayern bereits, Grafrath soll das zehnte werden. Die Waldpädagogik gehöre in Bayern zum dienstlichen Auftrag der Förster, erklärt Michaela Amann: "Jedes Kind soll einmal mit dem Förster im Wald sein." Grafrath habe ein riesiges Einzugsgebiet - mehr als 500 000 Menschen westlich von München. Südlich der Landeshauptstadt, in Grünwald, gibt es bereits ein Walderlebniszentrum.

Im Grafrather Versuchsgarten werden seit fast zwanzig Jahren Führungen angeboten, gemeinsam mit Kooperationspartnern wie der Verwaltungsgemeinschaft und der evangelischen Kirche Grafrath. Dabei sind auch die Fürstenfeldbrucker Elternschule, der Kreisjugendring München Land, der Landesbund für Vogelschutz, Biologen, Kultur- und Umweltpädagogen sowie Imker, Maler und Bildhauer. Etwa 4000 Besucher nahmen 2017 an geführten Veranstaltungen teil, zusätzlich kamen 3000 Menschen einfach so in den Wald.

Schon jetzt gibt es Informationstafeln im forstlichen Versuchsgarten Grafrath. Das Angebot soll erweitert werden. (Foto: Carmen Voxbrunner)

Bei den Führungen geht es um Heilpflanzen und solche, die man essen kann, um Märchen und Mythen rund um den Wald, aber auch um Abenteuerausflüge für Kinder. Neben Amann sind derzeit zwei weitere feste Mitarbeiter im Versuchsgarten tätig: Gartenmeister Manfred Heilander und der Biologe Martin Piepenburg. Kommt das Walderlebniszentrum, wird es Schmechel zufolge einen Förster in Vollzeit als Leiter oder Leiterin erhalten und damit einen weiteren Mitarbeiter.

Auch baulich wird dann erweitert. Nahe dem Eingang soll ein zweiflügeliges neues Gebäude errichtet werden mit Büroräumen, vor allem aber einem Empfangs- und Ausstellungsbereich und einem Vortragssaal. "Wir pflanzen ein funktionelles Holzgebäude in den Wald", erklärt Schmechel. Denn das Haus soll auf Stelzen errichtet werden, um den empfindlichen Waldboden nicht zu versiegeln. "Im Wald selbst muss nichts gemacht werden", sagt Schmechel. Die Bäume aus fernen Ländern stünden in Parzellen von etwa 30 auf 30 Metern Größe und würden fortwährend gepflegt. Erweitert und weiterentwickelt werden solle das Angebot an Infotafeln. Die Forstgeschichte und die ausländischen Baumarten sowie ihre Erforschung sollen Alleinstellungsmerkmale werden. Zielgruppen sind Schmechel zufolge Erwachsene, vor allem Fachleute und Multiplikatoren, Kinder und Jugendliche, Menschen mit Beeinträchtigung und auch Migranten. Ein Hauptthema soll der Klimawandel und der deshalb notwendige Waldumbau sein.

Der Versuchsgarten ist bereits mit mehreren Wegen gut erschlossen, zum Teil auch barrierefrei. Von der S-Bahn her soll ein zweiter Zugang geschaffen werden. Einen neuen großen Parkplatz an der Jesenwanger Straße gibt es schon. Geplant ist das alles, die Kosten für den Bau schätzt Schmechel auf etwa 2,8 Millionen Euro.

Der forstliche Versuchsgarten ist vor mehr als 130 Jahren angelegt worden um zu testen, wie Bäume aus anderen Gegenden der Welt in Bayern den Wald bereichern könnten. Lange diente er auch als Ausbildungsort für Förster. Deshalb findet man dort nicht nur den riesigen Mammutbaum, sondern auch amerikanische Douglasien und Roteichen, die chinesische Walnuss und griechische Tannen. 280 Baum- und Straucharten aus Europa, Asien und Amerika kann man auf dem 34 Hektar großen Areal entdecken.

Doch schon lange ist der Wald kein klassischer Versuchsgarten mehr, wie Schmechel erklärt. Statt angehenden Förstern kann dort jedermann etwas über den Wald und seine Bewohner erfahren, vom Pilz bis zum Dachs, und auch über die Heilkraft der Pflanzen.

© SZ vom 06.07.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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