Grafrath:Jahresringe

Lesezeit: 2 min

Manfred Heilander (links) erklärt, warum manche Jahresringe in Baumstämmen dünner sind als andere. (Foto: Günther Reger)

Seniorengruppe besucht den forstwirtschaftlichen Versuchsgarten Grafrath

Von Manfred Amann, Grafrath

Im forstwirtschaftlichen Versuchsgarten in Grafrath wachsen über 200 Baumarten in verschiedenen Entwicklungsstufen nebeneinander, die normalerweise in anderen Ländern Europas, in Amerika und Asien beheimatet sind. Darunter stattliche Giganten wie der 130 Jahre alte Mammutbaum aber auch zierliche Feigenbäumchen, die gerade ihre Früchte bilden. Gartenmeister Manfred Heilander freut sich, wenn Besucher seine Schätze bewundern. Immer wieder gibt es Walderlebnistage und Schulprojekte, die er unterstützt, und er führt gerne Gruppen mit "waldpädagogischem Geschick" durch den etwas anderen Wald. Diesmal ist es die Seniorengruppe der Grafrather Evangelisch- Lutherischen Kirche, die sich für den Forstgarten und vieles mehr interessiert.

Organisatorin Ursula Langer und Heilander haben dafür das Thema "70-jähriger Mensch trifft 79-jährigen Baum -in 70 Jahren ist viel passiert" gewählt, um miteinander ins Gespräch zu kommen. "Ich erzähle euch aus meiner Welt und Ihr über Erlebnisse, die Euch im Zusammenhang mit Wald in Erinnerung geblieben sind, dann haben wir alles was davon", leitet Heilander ein und führt die Senioren zu einem Kreuz, das er mit Sägespänen auf den Boden gestreut hat, und dessen Balkenenden in die vier Himmelsrichtungen zeigen. "Wo kommen eure Eltern her, von Westen, Norden, Osten oder Süden?", fragt er und bringt so eine rege Unterhaltung über die Herkunft der Senioren in Gang. "So wie eure Eltern aus allen Richtungen nach Grafrath gekommen sind, so ist es auch mit unseren Bäumen", erklärt er und stellt so den Bezug zum Versuchsgarten her, der Ende des 19. Jahrhunderts angelegt wurde, um zu testen, ob sich fremde Baumarten auch für die heimische Forstwirtschaft eignen.

Das Klima sei hier anders als in Japan oder und in Norwegen und jede Baumart brauche einen anderen Boden, um gut gedeihen zu können, erläutert Heilander. Danach dürfen die älteren Menschen kundtun, was ihnen bei Wald alles einfällt. Zeit, Tannenzapfen, Schwammerl suchen, sich verlaufen werden genannt, aber auch Stille, Ruhe und Erholung, und es werden teils amüsante Walderinnerungen wach. So erzählt eine Frau, dass sie als Mädchen mit ihrem Opa einmal Pilze suchen durfte. Dieser habe sie in seiner Leidenschaft dann aus den Augen verloren und sie im Wald vergessen. Eine andere Seniorin erinnert sich, dass sie in jungen Jahren quasi als Mutprobe in einem hohlen Baum schlief, was eine andere Frau auf die Geschichte von der Heilige Edigna in Puch bringt. Auf der nächsten Station lässt Heilander von Jonas Kappen zwei Baumscheiben bringen, auf denen je zehn Jahresringe mit einem Fähnchen abgesteckt sind. Kappen macht im Rahmen seiner Schulausbildung an der Montessori-Fachoberschule in München im Versuchsgarten ein fünfwöchiges Praktikum. Wie Heilander ist er gespannt, was die Senioren erzählen, um deren Erfahrungen für die eigene Tätigkeit nutzen zu können. Die Senioren dürfen nun eine Kopfnadel in den Jahresring stecken, zu dem ihnen ein besonders schönes Walderlebnis einfällt. Ein Besucher wählt den 25. Jahresring. Damals habe er geheiratet und sei mit seiner Frau im Goggomobil auf Hochzeitsreise in den Ruhrwald gefahren, um mit Zelt und Schlafsack Urlaub zu machen, erinnerte er sich. Eine Frau lässt die Nadel von Elena Faber beim 15. Ring einstecken, weil sie damals nach strapaziöser Flucht glücklich in Bayern ankommen sei.

Heilander verbindet die erzählten Geschichten mit dem Baumleben. Wenn ein Ring dünner sei, erklärt er, deute dies auf ein weniger gutes Wachstumsjahr hin. Außerdem könne man Hinweise auf Schädigungen finden und feststellen, ab wann für den Baum das Leben wieder besser wurde. "Wie bei uns Menschen auch gibt es bei den Bäumen Lebenseinschnitte, die bremsen aber auch solche, die ihn wieder aufleben lassen", sagt er.

© SZ vom 10.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: