Grafrath:In der Welt des Miesegrimm

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Mit dem Schreiben hat die 56-Jährige spät angefangen. Erst einmal hat sie eine Ausbildung gemacht und studiert, als Diplomkauffrau gearbeitet und ein Café betrieben. (Foto: Leonhard Simon)

Vier Kinderbücher hat die Autorin Martina Türschmann mittlerweile veröffentlicht, dazu drei Theaterstücke. Angefangen damit hat die Grafratherin im Selbstverlag. Nun legt der junge Kelebek-Verlag ihre Titel neu auf

Von Florian J. Haamann, Grafrath

Er ist ein Typ, dem man nicht auf der Straße - oder sonst irgendwo - begegnen möchte. Nicht am Tag und schon gar nicht in der Nacht: der Miesegrimm. In diesem Fall ist das Name und Charakterbeschreibung zugleich. Er ist ein grimmiger Miesepeter, ein Gespenst, das mit seiner schlechten Laune umherzieht und andere ansteckt. Zumindest so lange, bis die Grafrather Autorin Martina Türschmann ihn in eines ihrer Bücher einsperrt und um ihn herum eine Welt schafft, die ihn in Zaum hält.

Angefangen hat alles am Bett ihrer beiden Töchter. "Als die beiden im Kindergartenalter waren, hat es zum Bettgeh-Ritual gehört, dass wir zusammen Geschichten entwickeln und über den Tag sprechen. Irgendwann ist da die Idee vom Miesegrimm entstanden, der ja quasi fester Bestandteil der Familie ist, wenn dir mal wieder jemand schlecht gelaunt begegnet", erinnert sich die 56-Jährige. Bald habe sie damit angefangen, die Ideen direkt aufzuschreiben. "Dann ist es immer größer und größer geworden, bis es nichts mehr mit einer Gute-Nacht-Geschichte zu tun hatte. Da habe ich es abgekoppelt und auf einmal war es ein ganzes Buch. So war das anfangs gar nicht geplant."

Doch ein Text mit einer guten Idee und schönen Geschichten auf dem eigenen Computer ist noch kein fertiges Buch, sondern eben nur eines von Tausenden Manuskripten, an die die Hoffnung einer Veröffentlichung geknüpft ist. Auf der Suche nach einem Verlag hatte Türschmann selbst viele, viele Miesegrimm-Begegnungen. "2001 habe ich angefangen und alle Verlage angeschrieben, die etwas mit Kinderbüchern zu tun haben. Normalerweise dauert es dann ein halbes Jahr, bis man einen Zweizeiler mit einer Absage bekommt. Es ist einfach schwer, da unter zu kommen", sagt die Autorin. Als schließlich alle Verlage ihr Manuskript abgelehnt hatten, entscheidet sich Türschmann, ihren Miesegrimm im Selbstverlag zu veröffentlichen und so erscheint 2007, sechs Jahre nachdem sie sich auf die Suche gemacht hat, ihr erstes Kinderbuch: "Miesegrimm: Du kannst auch anders!". Darin begeben sich die Brüder Sebastian und Felix auf die Suche nach den Gründen für die schlechte Laune ihres Vaters und geraten in die Welt der Fantasie. Gemeinsam mit zwei Waldwesen kämpfen sie sich durch den dichten Nebel aus Missmut und Griesgram, die den Miesegrimm umgibt und den Wald vergiftet.

"Rückblickend muss ich sagen, dass ich damals nie für möglich gehalten hätte, 13 Jahre später das zu haben, was ich jetzt habe", sagt Türschmann. Denn mittlerweile hat sie vier Miesegrimm-Bücher veröffentlicht - und mit Kelebek im vergangenen Jahr endlich einen Verlag gefunden, der ihr erstes Buch nun unter dem Titel "Miesegrimm: Der Spielverderber" neu aufgelegt hat. Außerdem hat die 56-Jährige drei Theaterstücke ebenfalls bei einem Verlag veröffentlicht und gerade ihr viertes fertig gestellt. In ihrer Selbstverlags-Zeit hat sie 3000 Bücher verkauft, was durchaus ein kleiner Erfolg ist. "Es ist immer ein Stückchen weitergegangen. Natürlich gab es immer wieder Momente, in denen man hinschmeißen wollte, etwa wenn eine Buchhandlung einen Titel nicht nehmen wollte oder wenn es eine negative Kritik gab, die einen runtergezogen hat. Aber ich habe es im Endeffekt auch für die Kinder weitergemacht. Und mein Weg hat mich in der Ansicht bestätigt, dass man manchmal einfach machen muss". Trotz der Erfolge, auf die die Grafratherin mittlerweile zurückblicken kann - leben kann sie von ihren Büchern bisher nicht. "Für mich ist es mittlerweile ein Beruf, aber alleine davon kann man nicht leben. Man braucht schon etwas in der Hinterhand."

Türschmann betrachtet ihren Weg als Autorin gerne im großen Rahmen. "Alles, was passiert ist, hat schließlich dazu geführt, dass ich jetzt machen kann, was ich mache. Wäre es anders gelaufen, hätte ich meine Erfüllung vielleicht woanders gefunden. Manche Dinge brauchen einfach ihre Zeit und jetzt ist eben die Zeit von Miesegrimm", sagt sie. Jetzt, wo beide Töchter erwachsen sind, habe sie auch mehr Zeit, sich ihren Büchern zu widmen. Und nicht nur die Kinder haben früher ihre Zeit in Anspruch genommen, sondern auch Türschmanns Beruf. Nach einer Ausbildung zur Biologielaborantin hat sie Betriebswirtschaft studiert und später viele Jahre als Diplomkauffrau gearbeitet, von 2015 bis 2018 hat sie mit einer Freundin ein Café betrieben.

In all der Zeit habe sie zwar immer wieder Texte verfasst, im Marketing, mit Begleitmaterial zu Produkten, für Webseiten, aber eben immer nur im wissenschaftlichen Kontext. Dennoch sei das Schreiben schon immer etwas gewesen, was ihr gelegen und Spaß gemacht habe. Und auch gelesen habe sie schon immer viel. "Als Kind ganz klassisch mit der Taschenlampe unter der Bettdecke, Preußler, Lindgren, was man als Kind eben so verschlingt". Heute habe sie einen besonderen Faible für britische Historienschinken, lese aber grundsätzlich noch immer viel.

Dass ihre Bücher schon in der Zeit des Selbstverlags relativ gut gelaufen sind, liegt auch daran, dass Türschmann von Anfang an auf Schulen zugegangen ist und Lesungen angeboten hat. Mittlerweile hat sie sogar für drei ihrer Bücher Unterrichtsmaterial entwickelt. Der Kontakt zu ihrer Zielgruppe, den Kindern, sei ihr wichtig. Natürlich spiele in ihren Texten das Märchenhafte eine große Rolle, dennoch versuche sie, die Probleme zu thematisieren, die die Kinder beschäftigen und ihnen vielleicht sogar eine Lösung zu präsentieren. So beschäftigt sich "Miesegrimm und die Plaudertasche" mit dem Thema Mobbing. "Es ist immer schön zu sehen, was die Kinder aus meinen Texten machen, wie und was sie nach den Lesungen diskutieren. Es ist spannend zu sehen, welchen Tenor das Gespräch bekommt und wohin es sich entwickelt. Und wenn dir am Ende ein Kind einen Stein zur Verabschiedung schenkt, weil es ihm so gut gefallen hat, dann ist das eine unglaubliche Bereicherung", erzählt die gebürtige Frankfurterin.

Besonders in Erinnerung geblieben sei ihr ein Moment nach einer ihrer ersten Lesungen vor einer dritten Klasse in Moorenweis. "Es war mucksmäuschenstill und dann meldet sich ein Junge, Gel in den Haaren, Militärhose, der mit verschränken Armen vor mir saß und fragt: Glaubst du eigentlich an das, was du da schreibst? Ich habe ihm geantwortet: Wenn man nicht daran glaubt, dann kann man auch den Wanderweg nicht finden, der einen in die Welt der Gespenster führt. Daraufhin hat er mich gemustert und nach einer Weile gesagt: Na gut, dann will ich wieder daran glauben."

Mittlerweile hat Türschmann allerdings auch einen Ausflug in die Welt der Erwachsenen gemacht. Nach zwei Theaterstücken für Kinder hat sie im März die Krimikomödie "Mord geht durch den Magen" geschrieben. "Die Idee hat die Inhaberin des Theaterverlags, für den ich schreibe. Ende vergangenen Jahres haben wir uns getroffen und sie hat gesagt: Schreib doch mal was für Erwachsene. Erst habe ich gedacht, das kriege ich doch nie hin." Dann habe hab sie sich hingesetzt und einfach geschrieben. Der Verlagsleiterin habe das Stück dann auch sofort gefallen. Und eigentlich hätte das Stück in diesem Jahr auch am ein oder anderen Theater aufgeführt werden sollen - wegen Corona hat es letztlich nicht geklappt. Dafür hat Türschmann vor wenigen Tagen ihr zweites Erwachsenenstück fertig gestellt, mit dem sie nun an einem Wettbewerb teilnimmt. Deshalb darf sie zum Inhalt noch nichts verraten.

Weitere Informationen zu den Büchern von Martina Türschmann gibt es auf ihrer Internetseite www.miesegrimm.de

© SZ vom 16.01.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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