Grafrath:Glaubenskampf

Lesezeit: 3 min

Die Pfarrei soll nach Rasso benannt werden

Von Manfred Amann, Grafrath

45 Jahre werden es, dass sich Unteralting und Wildenroth zur Gemeinde Grafrath zusammengeschlossen haben. Sieben Jahre später, 1979, ist dann auch eine neue Pfarrei St. Mariä Himmelfahrt Unteralting gegründet worden. Ohne Namenswechsel, der auf Realitäten Bezug nähme, sei damals ein "ungewöhnliches Konstrukt" entstanden, bedauert Ernst Meßmer. Im Rahmen eines Vortages im Veranstaltungsforum Fürstenfeld beim Historischen Verein sprach sich der als Grafrather Ortschronist und Rasso-Forscher bekannte Altphilologe dafür aus, die "unmögliche Situation" zu beseitigen und die Pfarrei in "St. Rasso Grafrath" umzubenennen, was von Kirchenbehörden bislang aber abgelehnt wird, weil gar nicht sicher sei, ob Rasso historisch zu belegen sei. Für Meßmer besteht jedoch kein Zweifel, dass Rasso wirklich lebte und dass dieser auch eine viel verehrte Persönlichkeit gewesen sein musste, wenngleich man die genaue Lebenszeit des Kirchenpatrons und Namensgebers von Grafrath urkundlich nicht belegen kann. Der Heimatforscher findet es bedauerlich, dass es keinen "Rasso-Fan-Club" gibt, der sich dafür einsetzt, dass der Volksheilige die Anerkennung bekommt, die er als Wundertätiger weit über die Grenze Grafraths hinaus genoss.

Die Wurzeln der Kirchengeschichte von Grafrath und Umgebung liegen laut Meßmer in karolingischer Zeit, als von 801 bis 807 die Bistumsgrenzen festgelegt wurden. Da die Amper den Grenzverlauf markierte, gehörten Unteralting und Wildenroth zum Bistum Freising, während westlich der Amper das Augsburger Bistum anschloss, zu dem auch die Insel Wörth gehörte, auf der Rasso später eine Kirche errichtete, die er auch als Grablege wählte.

Die Trennlinie führte immer wieder zu Spannungen zwischen den Kirchen. Das sei so weit gegangen, dass Pfarrer Gläubigen verboten hätten, in eine andere Kirche zu gehen. Bis Mitte des vergangene Jahrhunderts hätte es noch diesen Streit gegeben, wer in welche Kirche zum Gottesdienst dürfe, sagte Meßmer. Die Pfarrei St. Mariä Himmelfahrt wurde 1477 mit den selbstständigen Kirchen in Unteralting, Höfen und Geising (Kottgeisering) errichtet, die für Meßmer aber nicht gewachsen, sondern bewusst, vermutlich aus machtpolitischen Gründen so organisiert worden sei. Es sei nämlich ungewöhnlich, dass drei Kirchen, die unterschiedlichen Landgerichten angehörten, zusammengeführt worden seien. Die Kirche samt Vermögen in Geising sei in Herzogsbesitz gewesen und vom Landgericht Landsberg verwaltet worden. Unteralting habe den Herren von Seefel gehört, für die das Landgericht Weilheim zuständig gewesen sei. Das Höfener Gotteshaus wiederum sei vom Kloster Fürstenfeld gebaut worden, das auf dem Gebiet des Landgerichtes Dachau gelegen sei. Die Rassokirche hatte bis 1979 zur Pfarrei Wörthsee gehört. Interessant sei auch, dass damals der Pfarrzwang aufgehoben worden sei, um trotz dreier Kirchen eine bevölkerungsnahe Seelsorge anbieten zu können, erzählt der Ortschronist.

Inzwischen finden die Pfarrgottesdienste in der Regel auch nicht mehr in der offiziellen Pfarrkirche statt, sondern in der "St. Rassokirche", die in dem Ortsteil liegt, der früher allein den Namen "Grafrath" trug. "Von daher wäre es naheliegend, die Pfarrei umzubenennen in Pfarrei "St. Rasso Grafrath", fordert Meßmer und hat auch Vorschläge, wie man dies angehen könnte. 1975 hätten Gemeinde und Pfarrei den Namenswechsel bereits beantragt, seien aber mit dem Hinweis abgewiesen worden, dass die Existenz des Volksheiligen Rasso nicht zu belegen sei. Der Ortschronist hält es daher für notwendig, zur Sicherung der historischen Person und Kirchenstifters ein Historikergremium einzusetzen, das anhand der vorhandenen Quellen den Nachweis von Rassos Existenz liefert. Ferner sollten wissenschaftliche Untersuchungen von Gebeinen mittels Radio-Karbon-Methode, DNA-Analyse oder Strontium-Bestimmungen vorgenommen werden. Wichtig wäre auch, die Verehrungswürdigkeit als Heiliger prüfen zu lassen und dann Rassos Aufnahme ins Heiligenverzeichnis bei der Amtskirche zu beantragen.

Vorbei sein sollte die Zeit, dass Rassos Wirken in Zweifel gezogen werde, so Meßmer. Im neuen Gotteslob sei Rasso nicht erwähnt, vor wenigen Jahren sei er noch als "Erfindung mittelalterlicher Frömmigkeit" bezeichnet worden, im Landkreisbuch werde der Volksheilige in Frage gestellt und noch heute sei auf der Internetseite des Graf-Rasso-Gymnasiums Fürstenfeldbruck zu lesen: "Inzwischen weiß man ja, dass er nicht historisch ist." "Ich hoffe, dass sich Grafrath und Bürger aus der Region besinnen und aktiv werden, die Zweifel endgültig auszuräumen", ist Meßmers Wunsch.

© SZ vom 14.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: