Grafrath:Gesiebt und geschottert

Lesezeit: 3 min

Zwei Monate lang werden auf der Bahnstrecke zwischen Grafrath und Geltendorf die Gleise ausgetauscht. Das hören und spüren die Anwohner jeden Tag zwischen 6 und 22 Uhr

Von Erich C. Setzwein, Grafrath

Es ist laut in Grafrath. Seit vergangenem Freitag schon hören nicht nur die direkten Anwohner der Bahnstrecke München-Lindau den Lärm, den die Gleisbaumaschinen der Nürnberger Firma Josef Hubert und die Sicherheitsfanfaren machen. Auch etwas weiter weg von den Gleisen ist zu vernehmen, dass die Bahn nach mehr als 40 Jahren das Gleisbett erneuert und Schienen austauscht. Zwischen dem Bahnhof Grafrath und der Endhaltestelle der S-Bahnlinie 4 in Geltendorf werden voraussichtlich bis Ende April die beiden Gleise komplett ausgetauscht. Das hat nicht nur zwei Monate Baulärm für die Anwohner der Bahnstrecke zur Folge, sondern auch den Ausfall von S-Bahnen und Schienenersatzverkehr mit Bussen.

Es ist kalt und nass und ziemlich matschig am Dienstagvormittag, als die Deutsche Bahn die Lokalzeitungen zum Ortstermin nach Grafrath eingeladen und dabei die Pressevertreter an festes Schuhwerk erinnert hat. Das ist auch nötig, denn der bereits von Schotter, Sand und Erde freigeräumte Untergrund des neuen Gleisbetts entlang der nördlichen Villenstraße besteht nur aus zäh-schleimigem gelben Lehm. Darauf bringt eine Großbaumaschine eine "Planumsschutzschicht" auf, die wasserundurchlässig ist. Erst darauf kommt dann, was Eisenbahner als "Gleis bezeichnen" - und das aus Schotter, Schwelle und Schiene besteht.

Insgesamt werden in den kommenden Wochen auf diesem Teilstück der S 4 gut 35 000 Meter Schienen, 29 200 Betonschwellen und 22 700 Tonnen Schotter ausgetauscht. Das alles bewältigen 45 Beschäftigte des Bauunternehmens in jeweils zwei Achtstundenschichten tagsüber. 12,2 Millionen Euro betragen nach Angaben der Bahn die Kosten für die Erneuerung des Gleises. Die großen Baumaschinen kommen nicht im Bahnhof Türkenfeld zum Einsatz, weil sie dort keinen Platz hätten. Deshalb werden in den Osterferien Arbeiter mit Baggern dort die Gleisanlagen erneuern. Das bedeutet aber, dass das Nachbargleis für das An- und Abfahren von Baumaterial in dieser Zeit gesperrt werden muss.

Ansonsten wird "unterm rollenden Rad" gearbeitet, wie die Bahnbauer sagen, weil auf dem Nachbargleis jeweils die S-Bahn, Regional-, Fern- und Güterzüge an der Baustelle entlang fahren können. Das bedeutet für Arbeiter wie Anwohner, dass sie regelmäßig die laut tönenden Fanfaren des "automatischen Warnsystems" hören. Da diese Töne drei Dezibel lauter als die lauteste Maschine sein müssen, um wahrgenommen zu werden, kann es bis zu 116 Dezibel laut werden - lauter als eine Kettensäge. Die Bahn, sagt einer ihrer Sprecher, habe die Anwohner mit Faltblättern auf die Baumaßnahmen frühzeitig aufmerksam gemacht und um Verständnis gebeten.

Während in der Villenstraße der Schall durch die baumbestandenen Grundstücke zieht, geht es außerhalb von Grafrath Richtung Türkenfeld auch nicht gerade leise zu. Dort tut eine "Bettungsreinigungsmaschine" ihren Dienst. Ein gelb lackiertes Ungetüm mit dem Modellnamen "RM 800 Super 3 S", das mit seinen an einer Kette befestigten Schaufeln den Schotter unter den Schienen herauskratzt, reinigt, aufbereitet und wieder einbringt. Der ganze Sand und Humus, der in den vergangenen Jahrzehnten das Gleisbett im wahrsten Wortsinne verdreckt hat, wird ausgesiebt und auf eine Deponie gefahren. Warum die Bahn das machen lässt? Weil sich nur rauer, scharfkantiger Schotter wieder so verbinden und "verzahnen" kann, dass die Schienen für die kommenden Jahrzehnte sauber aufliegen.

Auch wenn sich etliche Grafrather momentan über den Baulärm aufregen, so könnten sich Pendler eigentlich freuen, meint der Bahnsprecher. Denn die S-Bahnen, die normalerweise am Bahnhof Buchenau halten, fahren jetzt zumindest bis Grafrath weiter. Einmal pro Stunde fährt eine S 4 bis Geltendorf beziehungsweise von zurück dort nach München.

Da der Bahnhof Türkenfeld überhaupt nicht von der S-Bahn angefahren wird, hat die Bahn den Pendlern dort erlaubt, mit den Bussen nach Geltendorf zu fahren und Regionalzüge zu benutzen. Der Schienenersatzverkehr fährt von der Haltestelle. An den Wochenenden 25. bis 27. März sowie vom 15. bis 17. April (Ostern) fahren zwischen Grafrath und Geltendorf keine Züge. Während die S-Bahnfahrgäste Busse benutzen können, werden die Fernzüge über Augsburg umgeleitet.

Wenn auch beim Gleisbau die Pünktlichkeitsoffensive der Bahn gilt, dann soll die Strecke am Montag, 24. April, von 5.30 Uhr an wieder normal befahren werden können.

© SZ vom 08.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: