Gläsernes Rathaus:Funkstille in Fürstenfeldbruck

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Der Wunsch nach einem Livestream aus dem Stadtrat bleibt unerfüllt. Wegen des Abstimmungspatts im Gremium wird es nun nicht einmal Sitzungen zum Nachhören in Form von Podcasts geben

Von Stefan Salger, Fürstenfeldbruck

Stadtratssitzungen wird es auch künftig nicht zum Nachhören geben. Im Stadtrat stimmten am Dienstag 18 Politiker gegen die abgespeckte Version der zunächst beantragten Liveübertragung. 18 Politiker stimmten zwar auch dafür, laut Geschäftsordnung gilt der Antrag bei Stimmgleichheit aber als abgelehnt. Es wird bis auf Weiteres also weder einen Livestream noch eine Art herunterladbarer Podcast geben. Die Befürworter plädierten vergeblich für eine kostengünstige Testphase bis zu den kommenden Stadtratswahlen. Die Kritiker halten dies vor allem deshalb für sinnlos, weil die Beiträge von Stadträten und Abteilungsleitern der Stadtverwaltung, die einer Aufzeichnung grundsätzlich widersprechen, mühsam aus der Aufzeichnung herausgeschnitten werden müsste und somit lediglich ein "Fleckerlteppich" (Herwig Bahner, FDP) übrig bleiben würde.

Bereits in den Beratungen der Fachausschüsse hatte sich gezeigt, dass die Sache nicht so einfach ist, wie sich dies die Antragsteller Alexa Zierl und Florian Weber von der Fraktion Die Partei und Frei sowie Andreas Ströhle (BBV), Referent für Bürgerbeteiligung, sich dies wünschen würden. So lange vor allem in den Reihen von CSU, Freien Wählern und FDP große Skepsis herrscht und sich jeder Politiker unter Berufung auf sein Recht am eigenen Bild und Ton gegen eine Veröffentlichung im Internet wehren kann, ist eine Liveübertragung bereits vom Tisch. Zuletzt hatte der Haupt- und Finanzausschuss vor zwei Wochen denkbar knapp mit acht gegen sieben Stimmen einen Empfehlungsbeschluss gefasst, der lediglich die Aufnahme des Tons bei den Stadtratssitzungen, nicht aber den Ausschüssen, vorsah. Aus den Beiträgen hätten dann nachträglich die Wortmeldungen jener Politiker herausgeschnitten werden müssen, die mit einer Veröffentlichung nicht einverstanden sind. Drei Monate sollte das Herunterladen der Aufnahmen von der städtischen Homepage möglich sein - ergänzt um Unterlagen, die in der betreffenden Sitzung vom Beamer an die Wand projiziert worden waren. Auf 720 Euro pro Sitzung wird diese abgespeckte Version beziffert.

Die Befürworter bezeichneten einen Livestream als zeitgemäße Bürgerbeteiligung. Gehbehinderten sei der Besuch des nur über Treppen erreichbaren Sitzungssaals nicht möglich. Auch Menschen, die sich zu Hause um kleine Kinder kümmern müssen oder spät aus der Arbeit kommen, sei ein persönlicher Besuch oft nicht möglich. Man solle doch "über den Schatten springen" und das Projekt "einmal starten", empfahl Zierl. Verbale Ausrutscher ließen sich durch die zeitverzögerte Veröffentlichung bei Bedarf ja noch herausschneiden. Für Ströhle wäre die Aufzeichnung ein Beleg, dass Bruck mit der Zeit geht. Sitzungen seien ohnehin öffentlich, was könne man da gegen eine Übertragung haben. Karin Geißler (Grüne) zufolge haben die Bürger ein Anrecht darauf, dass "Dinge aus dem Stadtrat mehr in die Öffentlichkeit getragen" werden. Ihr Fraktionskollege Jan Halbauer sieht das ähnlich. Parteien und Politiker müssten doch ein Interesse daran haben, ihre Beiträge zu veröffentlichen, so wie es viele über Homepages oder soziale Medien wie Facebook oder Twitter längst tun. "Wovor habt ihr Angst?" fragte er. Und pointiert Richtung CSU: "Stürzen Sie sich in die Neuzeit!" Christian Stangl (Grüne) gab gleichwohl zu bedenken, dass die "Mediendemokratie" auch Gefahren birgt wie Shitstorms oder Manipulationen. Und Willi Dräxler warf die Frage auf, "wie gläsern ein Stadtrat" wirklich sein müsse.

"Einfach nur lächerlich" findet Bahner die Tonaufnahme, aus der nachträglich die Beiträge vieler Politiker herausgeschnitten werden. Entweder man mache den Livestream "g'scheit" oder man solle es gleich bleiben lassen. Gabriele Fröhlich (SPD) warnte ebenso wie Franz Höfelsauer (CSU) vor dem großen Schaulaufen von Politikern, die sich noch öfters zu Wort melden würden, wenn ihre Beiträge via Internet abrufbar wären. "Das würde ausufern", sagte Höfelsauer. In jedem Fall sei dann wohl die Beschränkung der Redezeit erforderlich. OB Erich Raff (CSU) bezweifelt ohnehin, dass es sich lohnt, für eine Aufzeichnung Geld auszugeben. Wenn es sie interessiere, dann seien die Bürger bereit, auch selbst ins Rathaus zu kommen. Ingolstadt habe ein solches Angebot mangels Interesse wieder eingestellt. Andreas Lohde (CSU) verglich das Projekt mit Bundestags-TV. Nur 0,05 Prozent der potenziellen Zuschauer interessierten sich für so etwas. Mit dem Geld solle man lieber die Anschaffung von Pedelecs fördern, so Lohde.

© SZ vom 25.10.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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