Geschlechterunterschiede:Das Recht auf Gleichbehandlung

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Tritt ein für die Stärkung der Frauenverbände: Marianne Grabrucker. (Foto: Voxbrunner Carmen)

Juristin Marianne Grabrucker referiert beim Olchinger Frauentreff über die Rechte der Frauen. Ihre Botschaft: Das Ziel ist noch lange nicht erreicht

Von Ekaterina Kel, Olching

Der Kampf um die Frauenrechte geht weiter. Zumindest in einem von Neonröhren beleuchteten Zimmer im ersten Stock des Hauses der Begegnung in Olching. Und zumindest für Marianne Grabrucker, frühere Vorsitzende Richterin am Bundespatentgericht in München, die ihre sieben treuen Zuhörerinnen des Olchinger Frauentreffs am Vorabend des internationalen Frauentags dazu aufforderte, über die Frauenrechtsbewegung von vor 100 Jahren und das, was von ihr übrig geblieben ist, nachzudenken.

"Wofür kann man denn heute als Frau auf die Straße gehen?", fragt Grabrucker und schaut herausfordernd in die Gesichter der geduldig bis zustimmend blickenden Frauen. Die Frage ist als Provokation, als Aufstachelung der etwa 45- bis 60-Jährigen gemeint, hat Grabrucker doch vorher eine lange Liste von Ungerechtigkeiten referiert, die auch heute noch das Gefälle zwischen Mann und Frau deutlich machen sollte. Als erstes nennt sie die Werbung für Abtreibung, die nach der aktuellen Rechtslage für Frauenärzte verboten ist. Der Paragraf zur Beleidigung eines Staatschefs sei damals nach der Böhmermann-Affäre "rucki-zucki" abgeschafft worden, sagt Grabrucker. Beim Thema Abtreibung sträubten sich die Zuständigen weiterhin, kritisiert sie. Dann sagt die Rentnerin das Wort "Ehegattensplitting", als ob es ein giftiger Pilz sei, den sie gerade aus Versehen in den Mund genommen hat. Die Frauen im Raum rücken auf ihren Stühlen hin und her, empören sich. "Das ist doch von Hintervorgestern", sagt Grabrucker. Es geben ihr alle recht.

Dann listet sie weiter auf: Altersarmut bei Frauen, befristete und Teilzeitstellen, sexuelle Belästigung und Gewalt gegen Frauen. Das Fazit der Runde ist eindeutig. "Wir brauchen eine starke Bürgerrechtsbewegung, die ihnen auf die Finger schaut", sagt Grabrucker. Mit "ihnen" meint sie die Männer, die in den obersten Positionen sitzen und über das Leben von Tausenden von Frauen entscheiden. Vom Patriarchat hat die Juristin eindeutig genug. Sie tritt für die Stärkung von Frauenverbänden ein und erinnert an die Lobbyarbeit des Deutschen Juristinnenbundes, einer Organisation, die für die Gleichstellung der Frauen auf der Rechtsebene und nicht bloß auf der Werteebene eintritt.

Marianne Grabrucker hat Ende der Neunzigerjahre den Vorsitz des bayerischen Landesverbands dieser Organisation innegehabt und war zudem eigenen Angaben zufolge die erste Gleichstellungsbeauftragte eines Landkreises im Freistaat. Der Feministin hängt noch immer eine Anekdote aus den Achtzigerjahren nach. Damals versuchte sie, ihre Tochter möglichst geschlechtsneutral zu erziehen und protokollierte ihren Versuch, in dem Buch "Typisch Mädchen", das im vergangenen Jahr neu aufgelegt wurde. Die neuartige Erziehung habe damals überdies nicht gefruchtet, das "mädchenhafte Verhalten" ließ sich bei der Tochter wohl nicht vermeiden.

Was der heute im Ruhestand immer noch sehr aktiven Grabrucker von dem Kampf gegen patriarchale Strukturen geblieben ist, ist zweifelsfrei die Kraft der Überzeugung. Das eigentliche Thema der Veranstaltung lautete "100 Jahre Frauenwahlrecht". Grabrucker arbeitete sich denn auch intensiv ein, las über die bürgerliche Frauenbewegung in Deutschland und referierte anfangs vor den Frauen des Olchinger Frauentreffs über die damaligen Umstände und den Verlauf der Geschichte vom Ende des 19. Jahrhunderts über die Weimarer Republik und das Dritte Reich bis heute.

Mit Witz schildert sie, wie die erste Gesundheitsministerin, Elisabeth Schwarzhaupt von der CDU, zu ihrem Amt kam. Offenbar hatte Konrad Adenauer versprochen, eine Frau in sein Kabinett zu holen. Nach seiner Wiederwahl 1961 löste er dies allerdings nicht ein. Daraufhin veranstalteten Aktivistinnen ein Sit-in vor Adenauers Büro - am nächsten Tag sei Schwarzhaupt dann Ministerin gewesen.

Die Botschaft, die Grabrucker ihren Zuhörerinnen auf den Weg gibt, hat zeitlosen Charakter: "Das Thema Frauenstimmrecht ist nicht vorbei. Es ist immer noch ein Machthebel."

© SZ vom 10.03.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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