Gerstensaft:Vom Kultgetränk zum Craft-Bier

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Seit 1556 gibt es Brauereien im Landkreis. Immer mehr Menschen stellen selbst Bier her. So manche Liebhaberei entwickelt sich zur eigenen Manufaktur

Von Ingrid Hügenell, Fürstenfeldbruck

Womöglich hat es schon vor 8000 Jahren Bierbrauer im Landkreis gegeben. Damals, in der Mittelsteinzeit, lebten im Haspelmoor Menschen. Sie waren Jäger und Sammler, keine sesshaften Bauern. Doch im Moor wurden Reste von Weizen gefunden. Es gibt wissenschaftliche Theorien, nach denen schon in der Steinzeit Bier gebraut wurde, um sich an dem alkoholhaltigen Getränk zu berauschen, bei großen, kultischen Festen wenige Male im Jahr.

In einer neuen Serie stellt die Fürstenfeldbrucker SZ sowohl die Arbeitsgruppe "Steinzeitbier" des Historischen Vereins Fürstenfeldbruck vor, deren Mitglieder versuchen, mit den Mitteln der Steinzeit zu brauen, als auch Hobbybrauer, neu gegründete Biermanufakturen, alteingesessene und Wirtshausbrauereien.

Das meiste Bier wird inzwischen weltweit und auch in Deutschland industriell hergestellt, der Computer ist vielfach der wichtigste Mitarbeiter. Auf 93,5 Millionen Hektoliter beziffert der Deutsche Brauerbund den Bierabsatz im Jahr 2017. Bier ist ständig verfügbar, und vor allem alkoholfreies Bier wird immer stärker nachgefragt, sein Marktanteil liegt bei etwa sechs Prozent. Ob die ersten Brauer in dem gehopften Gebräu, von dem man nicht betrunken wird, ihr Kult-Getränk wiedererkennen würden? Wahrscheinlich würden sie sich wundern, dass man etwas braut, das keinen Rausch hergibt. Zwischen damals und heute lag eine lange Periode, in der vor allem zuhause gebraut wurde, später auch in Klöstern. Immer war Alkohol im Bier, und auch allerhand Zusatzstoffe, Hopfen war nur einer davon. 1516 wurde das Reinheitsgebot erlassen, das heute verbindlich festlegt, dass Bier ausschließlich aus Wasser, Hopfen, Malz und Hefe gebraut werden darf. Im ausgehenden Mittelalter und der frühen Neuzeit entstanden auch im Gebiet des heutigen Landkreises Fürstenfeldbruck die ersten Brauereien. Eine davon, die Maisacher, gibt es immer noch. Erstmals wurde sie 1556 urkundlich erwähnt.

Heute entstehen dort pro Jahr etwa 100 00 Hektoliter "hochwertiges, handgemachtes Bier" in acht Sorten, wie Inhaber Michael Schweinberger sagt. Ein Computer hat nichts damit zu tun. Vielmehr gibt es zwei Braumeister: einen altgedienten, erfahrenen und einen jungen mit neuen Ideen. Dazu 14 Mitarbeiter, einschließlich der in der Verwaltung. Der Ausstoß ist verhältnismäßig gering, "das würde auf der Wiesn gerade für zwei Tage reichen", sagt Schweinberger und lacht. Zu haben ist das Maisacher Bier vor allem in den Landkreisen Fürstenfeldbruck, Starnberg und Landsberg.

Mehr als zehnmal so viel Bier wie die Maisacher braut die König Ludwig Schlossbrauerei Kaltenberg. Die größte der vier Braustätten ist das frühere Marthabräu in Fürstenfeldbruck. Etwa hundert Mitarbeiter gibt es dort. In Fürstenfeldbruck werden fünf Weißbiere gebraut: helles, dunkles, leichtes, Kristallweizen und alkoholfreies. Letzteres hat etwa 25 Prozent Marktanteil am hellen Weißbier. Die Nachfrage danach wächst stetig, dem allgemeinen Trend entsprechend. Marketingleiter Thomas Lillpopp sagt, der Grund dafür sei banal: "Die Menschen wollen ihren Durst löschen und sich erfrischen mit einem Getränk, das gut schmeckt." Und danach wollten sie noch Autofahren können - "keiner kann seinen Führerschein riskieren". Die genaue Absatzmenge der Kaltenberger gibt Lillpopp nicht preis, sie liege im mittleren sechsstelligen Bereich und schwanke stark. Damit ist die größte Brauerei im Landkreis eine der kleinsten in Bayern und Deutschland. Marktanteil: 0,5 Prozent.

Die Maisacher Brauerei ist nach wie vor eigenständig, auch Kaltenberg gehört nicht zu einem großen Konzern, kooperiert aber mit Warsteiner, vor allem um deren Absatzwege außerhalb Bayerns nutzen zu können.

Etwa zehn Prozent aller Biere in Deutschland stammen allein aus dem riesigen Anheuser-Busch-Konzern, der sich inzwischen AB InBev nennt. Dazu gehören etwa Spaten, Franziskaner und Löwenbräu, aber auch Beck's und Budweiser. Dennoch ist die Vielfalt riesig: Wer alle Biere probieren wollte, die in Deutschland hergestellt werden, bräuchte dazu mehr als 16 Jahre, wenn er jeden Tag nur ein neues testen würde - mehr als 6000 Biersorten gibt es dem Deutschen Brauerbund zufolge, und fast 1500 Braustätten. Und es werden immer mehr, denn die aus dem angelsächsischen Raum kommende Craft-Bier-Bewegung hat längst auch Deutschland erfasst. Dabei sinkt der Bierkonsum seit 1976. Damals erreichte er mit 150 Litern pro Kopf und Jahr einen Höchstwert, inzwischen sind es nur noch 101 Liter.

Es ist wieder in, zuhause zu brauen, auch, weil viele Menschen die Nase voll haben von der Industrieware. Die VHS bietet Kurse dazu an. Viele brauen einfach Helles, aber einige, vor allem junge Brauer haben sich auf Craft-Biere verlegt. Das sind dem Begriff nach Biere, die handwerklich gebraut sind, oft werden auch stark gehopfte Biere und besondere Sorten so bezeichnet. Auch die der Maisacher Brauerei fallen darunter. "Wir machen seit 460 Jahren Craft-Bier", sagt deren Inhaber Schweinberger.

Manche machen mit so viel Spaß und so erfolgreich ihr eigenes Bier, dass aus ihrem Provisorium in Küche oder Keller irgendwann eine richtige Braustätte wird und sie ihr Bier verkaufen können, nicht nur an Freunde. Zum Abschluss der Serie werden zwei Biersommelières einige der Getränke von den in der Serie vorgestellten Brauereien probieren, ihren Geschmack erklären und auch, wozu man sie am besten trinken kann.

© SZ vom 25.08.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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