Gernlinden:Hochprozentiges im Vorgarten

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Etwa 4000 Zuschauer kommen in den Maisacher Ortsteil Gernlinden, um den Faschingszug zu sehen und mitzufeiern. Die Anwohner tragen ihren Teil dazu bei, dass die Stimmung ausgelassen ist, aber nicht ausartet

Von Karl-Wilhelm Götte, Gernlinden

Jedes Jahr, wenn der Faschingszug durch die Straßen zieht, ist Gernlinden auch Bühne für Weltereignisse und Weltpolitik. So war die VW-Abgasaffäre gleich mehrmals Thema, genauso wie Griechenland oder die marode Bundeswehr. 20 Wagen und zwölf Fußgruppen zogen fast zwei Stunden, beklatscht und beobachtet von etwa 4000 Zuschauern, durch den Ort. "Es war alles friedlich", bilanzierte Christian Kemether vom veranstaltenden Kartell der Gernlindener Ortsvereine positiv. Besonders freute ihn, dass wieder viele Familien gekommen waren.

Vorne weg marschierte traditionell der Fanfarenzug Gernlinden. Dessen Klänge wurden jedoch dahinter sofort abgelöst von ohrenbetäubender Rock- und Technomusik. So auch bei den Burschen aus Emmering, die einen dampfenden VW-Golf aufgeladen hatten. "Es nicht alles Golf, was glänzt", war auf den Wagen zu lesen. Acht VW-Monteure in blauen Anzügen begleiteten das Auto.

Auch die Burschenschaft Nassenhausen beschäftigte sich mit dem VW-Thema. "Raucherlounge" nannte sie ihren großen rauchenden Wagen. Am Schluss des Zuges kam dann noch die Freiwillige Feuerwehr Gernlinden mit dem großen runden VW-Emblem angefahren. "Die Abgaswerte sind gelogen, der Pinguin um sein Eis betrogen", reimten die Feuerwehrler.

Die Schürzenjäger Gernlinden nahmen die Griechenlandkrise aufs Korn. Oben auf ihrem Wagen hatte sie eine riesige grüne Raupe montiert. "Das ist die Raupe nimmersatt", erklärte Daniel Sander den Aufbau. "Die Raupe wird an deutschen Früchtchen immer satt", lautete der Refrain weiter. Am Wagen liefen die Schürzenjäger als Zitronen, Bananen oder Orangen verkleidet neben her.

Die Moorburschen Gernlinden-Ost, die verkleidet als griechische Krieger aufkreuzten, wollten sogar die Akropolis in Athen für Bayern als Pfand nehmen. Von den Wagen flogen massenhaft Bonbons, Lutscher oder Popcorn aufs Publikum am Straßenrand herunter. Kleine und große Kinder sammelten dann auch bienenfleißig alles auf.

Der Zug fährt, auch das ist einmalig in Gernlinden, quasi durch die Vorgärten der Anwohner. In der Maisacher Straße fand die größte Gartenparty bei Marc Wesner und Hans Fischer statt. Fischer hatte ein Rocktrio zusammengestellt und unterhielt die 50 Gäste mit fetziger Musik. Wesner gab als "Reggae-Man" mit langen schwarzen Rastalocken den Grillmeister. "Wir stehen seit 14 Jahren jeden Fasching hier", erzählte Wesner und legte die nächste Wurst zwischen eine Semmel.

Um die Ecke in der Frühlingstraße empfing Familie Sieghart in Star Wars-Kostümen den Faschingszug. Drei Häuser weiter bei Michaela und Franz Hohenadl wurde Glühwein und Hochprozentiges ausgeschenkt. Andreas Wenhart gab in der Berlepschstraße die dicke "Pinke Schneeflocke", wie er sein aufgeblasenes Kostüm nannte. Auch dort gab es für Freunde und Nachbarn Hot Dogs und Getränke aller Art, als der "Bundeswehr Abschleppdienst" gerade vorbei fuhr. Neben dem Wagen her gingen Steinzeitsoldaten mit Gewehren, aus denen Keulen herauswuchsen.

Die Bundeswehr wurde vom Kellerclub Gernlinden verhöhnt. "Die Panzer san defekt, die Tornados de san blind, die Hubschrauber verreckt", hatten die Klubmitglieder gedichtet. Oben auf dem Wagen stand die Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen mit blondem Haar und Business-Kostüm.

Auch die Landjugend Puch hatte ein riesiges getarntes Bundeswehrfahrzeug gebaut und den Zustand der Bundeswehr draußen drangeschrieben: "Flieger defekt, Gewehre krumm, kaum Soldaten, wenn's kracht." Die "Haberfeldtreiber" aus Gernlinden hatten eine großen grünen rauchender Politikdrachen oben auf ihrem Wagen montiert, der "das Volk zum Narren hält", auch mit dem "Schwesternstreit von CDU/CSU".

Eher harmlos, dafür ästhetisch einmal mehr gelingen, traten wieder die "Lady's Gracha" aus Maisach auf. In gelben bodenlangen Kostümen und riesigen Sommerrädern auf dem Rücken forderten sie: "Hab' Sonne im Herzen." Der Schützenverein Frisch Auf Graßlfing kam mit einem Rosa-Traumwelt-Wagen vorbei. Die "Frechen Hühner" aus Maisach beeindruckten mit dem ernsthaften Anliegen der Plastikmüllvermeidung. Auf einem Handwagen zogen sie jede Menge Plastikmüll anschaulich hinter sich her. "Trotz Müller-Milch und Massenschwein, die Kleine Farm sie geht nicht ein", warb die Familie Strähhuber aus Gernlinden, verkleidet als Schafe, Schweine oder Hühner für artgerechte Tierhaltung.

© SZ vom 08.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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