Germering:Warnung vor dem dritten Weltkrieg

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Beim Frühlingsempfang der SPD Germering spricht Julian Nida-Rümelin. (Foto: Lukas Barth)

Julian Nida-Rümelin äußert seine Sorgen um eine Eskalation in der Ukraine und fordert eine neue globale Sicherheitsarchitektur.

Von Karl-Wilhelm Götte  , Germering

Angesichts des Krieges von Russland in der Ukraine warnte Julian Nida-Rümelin am Sonntag beim Frühlingsempfang der Germeringer SPD in der Stadthalle davor, dass sich der Krieg zu einem dritten Weltkrieg ausweitet. "Wir dürfen nicht dazu beitragen, dass dies passiert", erklärte der ehemalige Kulturstaatsminister in der ersten Regierungszeit (1998 - 2002) von SPD-Kanzler Gerhard Schröder. "Wir müssen jetzt einen kühlen Kopf bewahren", mahnte Nida-Rümelin, der an der Ludwig-Maximilians-Universität München bis 2020 Philosophie und Politische Theorie lehrte.

Nida-Rümelins Thema war die "Zukunft der Demokratie in Deutschland und Europa". Die aktuellen Ereignisse diktierten dem 67 Jahre alten Redner eine andere Reihenfolge als vorgegeben. "Alles, was galt, gilt nicht mehr?", fragte er in den Saal, "ist die SPD-Entspannungspolitik obsolet?" Gelte es jetzt, nur noch die Nato zu stärken und die Ukraine zu verteidigen? Zum ersten Mal kam an dieser Stelle der Hinweis Nida-Rümelins, einen kühlen Kopf zu bewahren. Bei aller aggressiven Rhetorik wollten die USA und die Nato keine direkte Konfrontation mit Russland. Er erinnerte an das "Völkerschlachten" des Ersten Weltkrieges in Europa. "Das darf sich auf keinen Fall wiederholen", bekräftigte Nida-Rümelin, der vier Jahre lang bis 2013 auch der SPD-Grundwertekommission angehörte und jetzt stellvertretender Vorsitzender des Deutschen Ethikrates ist.

Nida-Rümelin, der die Bundeswehr als "heruntergewirtschaftet" bezeichnete, kritisierte, dass in den vergangenen Jahren die Priorität der Bundeswehr nicht mehr die Landesverteidigung gewesen sei, sondern sie sich als Interventionsarmee verstanden habe. "Das war ein schwerer Fehler, die eigene Verteidigung zu vernachlässigen", so Nida-Rümelin. Ein Fehler sei es auch gewesen, dass der ehemalige US-Präsident Barack Obama die Atommacht Russland zur Mittelmacht erklärte und die jetzt womöglich "in die Arme Chinas getrieben wird". Geostrategisch könne so "ein neuer Ostblock entstehen, eine neue bipolare Welt", so der Redner. "Russland entwickelt sich von einer Autokratie zu einer Diktatur", so Nida-Rümelin. Das Land führe Krieg gegen die Ukraine, die mafiöse Strukturen habe, eine enorme Korruption aufweise und "wo Oligarchen entscheiden, wer die Wahlen gewinnt", also im Ergebnis auch keine Demokratie sei. Wieder forderte er, "einen klaren Kopf zu behalten". Es gelte, eine Perspektive für eine Friedensordnung in Europa zu schaffen: "Nach dem Krieg muss eine neue globale Sicherheitsarchitektur entwickelt werden." Das sei schwierig genug, weil in den USA ein "geistiger Bürgerkrieg" herrsche, bei dem sich Demokraten und Republikaner als Feinde betrachteten und große Zweifel an der Demokratie entstünden.

Eine stabile Demokratie könne es nur auf der Grundlage einer zivilen Kultur mit einem respektvollen Umgang miteinander geben. Es gehe um eine prinzipielle Zustimmungsfähigkeit der Bevölkerung, nicht nur bei Wahlen. Das bedeute, dass individuelle und soziale Rechte, also der Sozialstaat, gewährleistet sein müssen. Mit umfassender staatlicher Bildung müsse die Teilhabe der Bürgerinnen und Bürger auf allen Ebenen an der Demokratie geschaffen werden. Abschließend erinnerte Nida-Rümelin an die Schrift "Zum ewigen Frieden" von Immanuel Kant, der darin 1795 eine Art Weltfriedensvertrag skizzierte, weil Frieden ein in der Natur des Menschen angelegter Endzweck sei.

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