Germering:Fragwürdige Namenspatronin

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Eine Germeringer Straße heißt nach Amalie Dietrich. In Australien gilt die Forscherin allerdings als Todesengel der Aborigines.

Petra Fröschl

Es waren längere Debatten im Sommer 2007, als der Germeringer Stadtrat nach passenden Namensgebern für die Straßen im neuen Gewerbegebiet Nord suchte. Statt oft verwendeter Männernamen wie Rudolf Diesel oder Carl Benz sollten es einmal Frauen sein, die sich durch besondere Leistungen hervorgetan hatten. Auch wenn einigen Stadträten dabei der Germering-Bezug etwas fehlte, einigte man sich schließlich auf die fünf berühmten deutschen Naturwissenschaftlerinnen Gertrude Blanch, Lise Meitner, Emmy Noether, Ida Noddack und Amalie Dietrich.

Bei letzterer ist sich die Stadt nun allerdings nicht mehr so sicher, ob das eine gute Wahl war. Im Internet-Lexikon Wikipedia wird Amalie Dietrich (1821-1891) zwar als "bedeutendste Australien- und Naturforscherin, Botanikerin, Zoologin und Pflanzenjägerin Deutschlands im 19. Jahrhundert" beschrieben - auch in Städten wie Hamburg, Chemnitz und Dresden sind Straßen oder Plätze nach ihr benannt. Laut der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift Geo waren Dietrichs Expeditionen aber alles andere als rühmlich.

Wie der Berliner Evolutionsforscher Matthias Glaubrecht recherchiert hat, gilt sie in Australien als "Todesengel der Aborigines". Weil Skelette und Schädel der Ureinwohner im 19.Jahrhundert in westlichen Völkerkunde-Sammlungen hoch im Kurs gestanden seien, soll die Forscherin Gräber geplündert haben. Dass sie, wie australische Medien berichtet hätten, gar Siedler zum Mord an Ureinwohnern anstiftete, um deren Überreste für wissenschaftliche Zwecke nach Deutschland verschiffen zu können, lässt sich laut Glaubrecht jedoch nicht beweisen. In seiner Reihe "Terra X" strahlt das ZDF am 6. März um 19.30 Uhr einen Beitrag zum Thema "Mordakte Museum" aus.

In Germering machte der Artikel am Dienstagabend im Hauptausschuss die Runde. "Wir werden das Ganze auf jeden Fall kritisch beobachten und entsprechend handeln", kündigte Jochen Franz vom Rechtsamt an. Die Amalie-Dietrich-Straße ist laut Franz bereits gewidmet, die Schilder hängen schon.

© SZ vom 24.02.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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