Energiewende:Die Herausforderungen der Wärmewende

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Sieht die Wärmewende als "Marathon": der Energieexperte Simon Herzog in der Stadthalle. (Foto: Johannes Simon)

Bei einer Veranstaltung der Germeringer Grünen geht es ums Heizen ohne Öl und Gas. Ergebnis: Eine überzeugende Alternative für alle gibt es nicht.

Von Karl-Wilhelm Götte, Germering

Wie ist das mit der Wärmepumpe? In Germering bemühten sich die Grünen um Aufklärung. Jedenfalls betreibt ihr Landtagskandidat Andreas Birzele mit einer Veranstaltungsreihe zum Thema: "Heizen - welche Lösung für welches Gebäude?", dieses Unterfangen. Und auch die Geothermie war Thema - die Stadt mit 42 000 Einwohnern könnte jedoch überfordert werden. "Allein die Bohrungen würden uns 110 bis 130 Millionen Euro kosten", dämpfte Sophie Schuhmacher, Ortssprecherin der Grünen und Dritte Bürgermeisterin, die Erwartungen an die Geothermie, auch wenn für die Bohrungen etwa 40 Millionen Euro an staatlicher Förderung zu erwarten wären. Ein Betrag von mehr als 110 Millionen Euro übersteigt den gesamten Stadthaushalt. "Und da sind noch keine Leitungen gelegt", so Schuhmacher. "So reich wie Grünwald sind wir nicht", fügte Grünen-Stadträtin Angelika Kropp-Dürr hinzu.

Anlass für die Äußerungen war eine Frage eines Bewohners der großen älteren Kerschensteiner Siedlung im Stadtteil Unterpfaffenhofen gewesen. "Da ist Vollwärmeschutz nötig und Fußbodenheizung für eine Wärmepumpe - wer bezahlt das?", wollte der Frager wissen. Schuhmacher fand das Wohngebiet sehr geeignet für ein Fernwärmenetz. Aber die Kosten: "Sie könnten für eine Sanierung Kredite von der KfW bekommen", sagte Simon Herzog, der Referent des Abends. "Die gibt's nicht für ältere Leute", antwortete der Mann spontan.

Hohe Häuser mit vielen Parteien eignen sich für eine Versorgung mit Fernwärme. Die Verlegung der Rohre ist aber teuer. (Foto: Günther Reger)

Fernwärme würde bei der angestrebten "Wärmewende" wirklich einiges bewegen. Auch in Neugermering würde sich die Patrizia-Siedlung sehr dafür eignen. Ein kleines Kraftwerk am nahen Baumarkt - allerdings mit Gas betrieben - könnte hier die Fernwärme liefern. Doch auch in diesem Fall haben die Stadt und der örtliche Gasversorger abgewinkt. Die sehr kostspielige Verlegung der Leitungen würde sich nicht lohnen.

Vier bis sechs Windräder

Simon Herzog, Fachmann für Energietechnik und Förderer von Startups im Bereich Energie und Technik, hatte zuvor die mögliche kommunale Wärmeplanung Germerings vorweggenommen. Solle ein Drittel der Wärme aus Wärmepumpen erfolgen, müssen vier bis sechs Windräder auf Gemeindebiet den zusätzliche Strombedarf decken. Soll ein weiteres Drittel der Wärme mit Wasserstoff in unterirdischen Speichern erzeugt werden, wird ein etwa 1,7 Quadratkilometer großes Feld mit Photovoltaik in Germering benötigt, und soll das letzte Drittel Wärme mit Holz entstehen, wird ein gut 18 Quadratkilometer großer Wald benötigt, um die jährliche Menge an Holz zur Verfügung zu haben.

Herzog führte aus, dass die Haushalte in Deutschland, und so sicherlich auch in Germering, 30 Prozent des gesamten Energiebedarfs beanspruchen. Einfache Rechnung Herzogs: Wolle man alle Öl- und Gasheizungen durch Wärmepumpen ersetzen, dauere das im günstigsten Fall 18 Jahre. Besonders schwierig sei das in dichtbesiedelten Großstädten. Herzog sicher: "Das ist ein Marathon und kein Sprint." Mit Wasserstoff zu heizen, sei ein "teurer Spaß" von etwa 100 000 Euro, so der Referent. Das sei etwas für Besserverdiener: "Entweder einen Porsche kaufen oder so eine Anlage aufstellen."

Da komme eine Wärmepumpe mit neuen Flächenwandheizkörpern billiger. Herzog taxierte deren Einbau auf etwa 30 000 Euro. Der Experte gab aber auch zu bedenken, dass im Winter bei strengem Frost, Windflaute und kaum Sonne bei geplanten zehn Millionen Elektroautos das Energiesystem an Grenzen stoßen werde. Bei minus 15 Grad brauche eine Wärmepumpe die doppelte Strommenge.

Wasserstoff als Ersatz

Ob die bereits vorhandenen Gasleitungen nicht auch mit Wasserstoff betrieben werden können, wollte ein Besucher wissen. "Eine Beimischung von 20 Prozent ist möglich", antwortete Herzog. Das reiche jedoch nicht. Darüber hinaus seien umfangreiche Leitungssanierungen mit neuen Motoren und Turbinen, auch in den Haushalten, nötig.

Dass die Wärmepumpe als Alternative zum bisherigen Heizsystem momentan oft schwer zu realisieren ist, erläuterte auch Schuhmacher. Ihre Eltern hätten vor einem halben Jahr kein einziges Wärmepumpenangebot bekommen und haben deshalb eine neue Gasheizung eingebaut. Schreinermeister Andreas Birzele, mit besten Kontakten zur Handwerksbranche, machte wenig Hoffnung, dass sich das schnell ändert: "Es fehlen die ausgebildeten Fachkräfte, so dass die Firmen weiterhin lieber Öl- und Gasheizungen verkaufen."

In der früheren Fassung lauteten die angegebenen Quadratkilometerzahlen 1,3 und 5,3. Sie beruhten auf einem Versehen. Dafür möchten wir uns entschuldigen.

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