Ausstellung:Die Schönheit der Bewegung

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In der Stadthalle Germering werden die Holzskulpturen des 2014 verstorbenen Jürgen-Eike Heyken ausgestellt. Sie verbinden Leidenschaft mit Präzision

Von Florian J. Haamann, Germering

Z=x²-y². Bei den meisten Menschen dürfte diese Formel ein tiefes Unwohlsein auslösen. Es ruft die Gedanken an unzählige Mathestunden hervor, in denen einem vor lauter Buchstaben und Quadraten der Kopf rauchte und an deren Ende nichts blieb als die Hoffnung, dass der Lehrer in der nächsten Stunde keine spontane Klassenarbeit austeilt - oder noch schlimmer, einen zur Abfrage an die Tafel holt. Welche Schönheit jedoch hinter dieser Formel steckt, welch ästhetischen Raum sie definiert, das verrät sie dem Laien nicht. Der Germeringer Künstler Jürgen-Eide Heyken hat genau dieses z=x²-y² in eine Holzskulptur gebannt, ein Meisterwerk einer festgehaltenen fließenden Form. Sie ist eines der zentralen Werke der aktuellen Ausstellung in der Stadthalle Germering, mit der Familie und Weggefährten das Andenken des im vergangenen Jahr verstobenen Heyken hochhalten wollen.

Anhand des Hyperbolischen Paraboloids, wie die Darstellung der Formel heißt, zeigt die Ausstellung auch, wie Heyken gearbeitet hat. Fotos dokumentieren die einzelnen Arbeitsschritte, vom unbearbeiten Baumstamm über zusammengeleimte Bretter, aus denen dann Stück für Stück die Skulptur geformt wird. Dazu sind die Berechnungen zu sehen, die der Künstler benutzt hat. Und so wird deutlich, dass es nicht die Leidenschaft ist, die dem Werk zu Grunde liegt, sondern präzise Mathematik, die dann aber mit viel Gespür und eben Leidenschaft umgesetzt wird. "Mit dem Holz will ich meine Liebe sichtbar machen". So soll Heyken, der auch Vorsitzender der Kunstkreises Germering war, ausgedrückt haben, was ihn zu seiner Arbeit motiviert. Und diese Liebe zu seinem Material auf der einen und zur Kunst auf der anderen Seite zeigt sich in vielen seiner Werke. Oder wie es einer seiner Wegbegleiter, der Künstler Michael Glatzl, ausdrückt: "Seine Werke zeigen, was die Verbindung von Mathematik, Intellekt und Emotion schaffen kann".

Das Möbiusband (rechts) zeigt die filigrane Seite der Kunst von Jürgen-Eike Heyken. (Foto: Günther Reger)

Die geschwungene Form, ganz besonders eine der gezeigten Skulpturen, ist auch Vorbild für den Ausstellungsaufbau. Die Werke sind in einem fließenden Bogen angeordnet. Schon durch diese Konzeption bekommt der Besucher ein Gefühl für die Leichtigkeit der Werke Heykens. Rohlinge, die fertigen Kunstwerken gegenüberstehen, sowie filigrane Skulpturen, die neben groben, fast unbearbeitet wirkenden Stämmen und Klötzen aufgebaut sind, zeigen das breite Spektrum von Heykens Schaffen. Genau wie die Formen seiner Werke war auch der künstlerische Werdegang Heykens keine gerade Linie. Nach dem Studium zum Elektrotechnik-Ingenieur arbeitete er mehrere Jahre in einer Fabrik. "Irgendwann hat er dann seine Affinität zum Holz entdeckt und ein Praktikum in einer Schreinerei gemacht", erzählt seine Witwe Regina Drössel-Heyken. Dort hat er zwar das Handwerk gelernt, aber das war ihm nicht genug. Deshalb ist er anschließend in die USA gereist, um dort in verschiedenen Museen die Kunst zu studieren und mehrere Holzkünstler zu besuchen. Bei einem von ihnen ist er schließlich hängen geblieben und hat dessen "School of Fine Woodwork" besucht. Zurück in Deutschland, hat er weiter gearbeitet und nur nebenbei kleine Skulpturen entworfen. Erst als er in Rente ging, hat sich Jürgen-Eike Heyken ganz der Kunst gewidmet und sich Räume im Germeringer Atelierhaus gemietet. Trotz einer Leukämie-Erkrankung hat er dort unermüdlich an seinen Skulpturen gearbeitet, bis er am 11.Juni 2014, als 66-Jähriger, der Krankheit erlag.

Die Faszination der ausgestellten Werken entsteht auch dadurch, dass sie je nach Blickwinkel andere Perspektiven eröffnen und dem Auge neue Bewegungsverläufe anbieten. Ruhen lassen kann man den Blick kaum, ständig eröffnen sich neue Details und Formen, denen man folgen möchte. Und so verleiten die makellosen Formen dazu erst den Blick und dann die Gedanken schweifen zu lassen, zu ergründen, was Heyken einem nun wieder zeigt. Sei es ein von der Decke hängendes Möbiusband oder die Skulptur "Madonna", die durchaus an eine abstrahierte Gottesmutter erinnert, mit gesenktem Blick und schützend angezogenem Arm. Wissenschaft und Leidenschaft also - eine spannende, sehenswerte Verbindung.

Der Hyperbolische Paraboloid, die Darstellung einer Parabelformel, beweist, wie schön Mathematik sein kann. (Foto: Günther Reger)

Ausstellung "Fließende Formen mit Holzskulpturen von Jürgen-Eide Heyken" von Donnerstag, 30. April, bis Sonntag, 10. Mai, in der Stadthalle Germering.

© SZ vom 30.04.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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