Gericht:Attacke auf die Ehefrau

Lesezeit: 3 min

39-Jähriger erhält wegen sexuellen Missbrauchs, Körperverletzung und Bedrohung eine Bewährungsstrafe

Von Ingrid Hügenell, Fürstenfeldbruck

Immer wieder ist der Mann über die Jahre auf seine Ehefrau losgegangen, auch mit dem Messer. Dabei stieß er Todesdrohungen aus. Schließlich masturbierte er zweimal neben der schlafenden Frau und ejakulierte auf sie. Das Sperma traf die Frau einmal im Gesicht und in den Haaren, einmal auf den bekleideten Po. Da die Frau im Kinderbett lag, schlief die kleine Tochter des Paares direkt neben ihr. Ob beim zweiten Fall auch der gemeinsame Sohn im Bett lag, konnte nicht geklärt werden.

Der Angeklagte, ein 39-Jähriger aus dem Landkreis, ist am Dienstag in einer zehnstündigen Verhandlung vor dem Schöffengericht zu einer Freiheitsstrafe von 15 Monaten verurteilt worden. Die Strafe wurde zur Bewährung ausgesetzt. Der Mann muss sich einer Alkoholtherapie unterziehen und seiner Ex-Frau 1200 Euro bezahlen. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass er seine Frau und den gemeinsamen Sohn verletzt und die Frau mit dem Messer bedroht hatte. Auch den sexuellen Missbrauch der Frau sahen Richter und Schöffen als erwiesen an, dafür setzen sie die höchste Teilstrafe an. Einen sexuellen Missbrauch von Kindern hat es nach Ansicht des Gerichts nicht gegeben. Denn der Angeklagte habe keinerlei pädophilen Neigungen und es auch nicht darauf angelegt, dass seine Kinder ihn beim Masturbieren sehen. Das taten sie nach Überzeugung des Gerichts auch nicht, weil sie schliefen.

Wie in der Verhandlung klar wird, ist der Mann alkoholabhängig und hat eine Persönlichkeitsstörung. Immer wieder versucht er, seiner Frau die Schuld an den gewalttätigen Vorfällen zuzuschieben: "Sie war auch nicht immer korrekt" ist so eine Äußerung. Die Masturbation sei als Bestrafung gedacht gewesen, weil die Frau keinen Sex mehr mit ihm wollte. Über ein Attest vom Arzt, das ihr vielfältige Verletzungen bescheinigt, darunter Schürfwunden und eine Schädelprellung, habe er gelacht. Er gibt ein "Gerangel" zu: "Das war provoziert." Die inzwischen geschiedene Ehefrau ist schlank und zart, sie wirkt mit ihren 36 Jahren mädchenhaft. Ihr Ex-Mann ist breitschultrig und kräftig. Seine Aggression hält er auch im Gerichtssaal nur mühsam unter Kontrolle. Sowohl mit der Staatsanwältin als auch mit der Anwältin seiner Ex-Frau, die als Nebenklägerin auftritt, spricht er häufig in so ruppigem Ton, dass ihn Anwalt und Richter ermahnen.

Um die Ex-Frau zu schützen, wird die Öffentlichkeit mehrfach von der Verhandlung ausgeschlossen. Sie leidet unter den Nachwirkungen der Gewalterfahrungen, die sie in der Ehe machen musste.

Der hinzugezogene Gutachter, ein Professor für forensische Psychiatrie, hat den Angeklagten im Gespräch als "unproblematisch, auskunftsfreudig und kooperativ" erlebt. Er sei "interessiert an der Lösung des Problems". Das Gutachten fördert einige psychische Probleme zutage. Der 39-Jährige leidet seit vielen Jahren unter Depressionen, er fühlt sich zuweilen verfolgt und beobachtet und nimmt entsprechende Medikamente. 2009 war er erstmals in einer psychiatrischen Klinik, wegen einer "schweren depressiven Episode", wie der Gutachter ausführt. Schon da fiel der Alkoholmissbrauch auf. Es folgten Aufenthalte in den Jahren 2010 und 2011.

Wie der Gutachter berichtet, musste der Angeklagte im Alter von zwölf Jahren wegen des Bosnienkrieges mit seiner Familie aus seiner Heimat nach Deutschland fliehen. Er lernt schnell Deutsch, macht den Quali und beginnt eine Ausbildung. Der raue Umgangston im Betrieb macht ihm zu schaffen. Die Hoffnung, beim FC Bayern Fußballprofi zu werden, zerschlägt sich. Der 16-Jährige rutscht in eine Depression. Dagegen kämpft er mit Alkohol an.

Der Angeklagte könne schwer mit Kränkungen umgehen, werde gereizt und unruhig bei belastenden Punkten und suche oft die Schuld bei anderen, sagt der Gutachter. Das könne er aber gut reflektieren. Die Flucht sei für den Zwölfjährigen ein sehr kränkendes Erlebnis gewesen, er habe sie als ungerecht empfunden. Auch das Aus seiner Fußballträume und dass seine Frau

nicht mit ihm schlafen wollte, habe ihn sehr gekränkt. Er habe einen instabilen Selbstwert und sei misstrauisch. Grundsätzlich hält der Gutachter den Angeklagten für schuldfähig, doch bei einigen Taten sei er so betrunken gewesen, dass er kaum noch wusste, was er tat.

Der Alkohol sei eine wesentliche Ursache für die Taten gewesen, sagt der Richter in seiner Urteilsbegründung. Der 39-Jährige ist schwer körperlich alkoholabhängig, er war mehrfach im KBO-Klinikum Fürstenfeldbruck zur Entgiftung. Dass er Alkoholiker ist, sieht er ein, er hat auch bereits eine sechsmonatige Reha in einer Suchtklinik hinter sich. Seither ist er mehrfach rückfällig geworden, mit heftigen Alkoholexzessen. Nun hat der Mann für Mitte Februar erneut einen Platz in der selben Klinik. Dass er sich den Platz dort schon vor dem Prozess selbst besorgt hat, spricht laut Urteilsbegründung für ihn. Drei Vorstrafen wegen Unfallflucht, Beleidigung und Diebstahl wirken belastend. Das Gericht sieht eine positive Sozialprognose als gegeben - der Mann hat einen Arbeitsplatz und seine Eltern und Geschwister unterstützen ihn. Deshalb wird die Strafe zur Bewährung ausgesetzt.

© SZ vom 07.02.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: