Fürstenfeldbruck:Zu viele Analphabeten

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Von den jungen Flüchtlingen, die für zwei Berufsschuljahre infrage kommen, ist nur ein Drittel tatsächlich geeignet

Von Heike A. Batzer, Fürstenfeldbruck

Im Landkreis leben etwa 600 junge Asylbewerber zwischen 16 und 21 Jahren. Sie sind berufsschulpflichtig. Doch nicht alle finden einen Platz. Das liegt auch daran, dass bei weitem nicht alle jungen Flüchtlinge gleichermaßen geeignet sind, um das zweijährige Unterrichtsmodell an der Berufsschule zu durchlaufen, das ihnen am Ende ein Sprachniveau abverlangt, das die Industrie- und Handelskammer (IHK) vor der Aufnahme einer Lehre fordert. "Es ist unrealistisch, alle in zwei Jahren ausbildungsreif zu machen", weiß deshalb Berufsschulleiterin Andrea Reuß.

Im laufenden Schuljahr wurde die Zahl der Flüchtlingsklassen für über 16 Jahre alte Zuwanderer im Landkreis gegenüber dem Vorjahr fast verdreifacht. Statt wie bisher 60 besuchen 170 Flüchtlinge insgesamt neun Klassen, die große Mehrheit sind junge Männer. Um den Unterricht besuchen zu dürfen, müssen die Schüler ein Auswahlverfahren bestehen. "Wir müssen eine Auswahl treffen nach Vorkenntnissen und Motivation und diejenigen finden, von denen wir glauben, dass sie es schaffen werden", sagt Reuß. Nur etwa ein Drittel der jungen Flüchtlinge gelten als geeignet, das ambitionierte zweijährige Programm zu durchlaufen, das den Schwerpunkt im ersten Schuljahr auf Spracherwerb und im zweiten Jahr auf Ausbildungsreife legt.

Nachdem bei der ersten Auswahl im Juli dieses Jahres nicht genügend geeignete Bewerber gefunden worden waren, um die Plätze für die neuen Berufsintegrations-Vorklassen zu besetzen, gab es im September einen zweiten Versuch. Von insgesamt 332 eingeladenen jungen Flüchtlingen waren 240 tatsächlich zu den Terminen erschienen. 117 von ihnen galten schließlich als geeignet und erhielten einen Platz in einer Vorklasse. Insgesamt führt die Brucker Berufsschule derzeit für junge Asylbewerber fünf Vorklassen zum Berufsintegrationsjahr, je zwei davon sind in Schulcontainer am Gymnasium Olching und Max-Born-Gymnasium Germering ausgelagert. Zwei Vorklassen führt in Eigenregie die Brucker Fach- und Berufsoberschule. Eine weitere Vorklasse sowie die beiden Berufsintegrationsklassen des zweiten Schuljahres sind an der Berufsschule untergebracht. Sollte die Erstaufnahmeeinrichtung am Brucker Fliegerhorst bestehen bleiben und nicht in eine Kurzaufnahme umgewandelt werden, dann müssen auch dort künftig Sprachintensivklassen eingerichtet werden.

"Wir wissen nicht, warum sie nicht zu den Terminen kommen", antwortete Schulleiterin Andrea Reuß in der Sitzung des Kreiskulturausschusses auf entsprechende Fragen der Kreisräte. Bei den als nicht geeignet eingestuften Flüchtlingen liegen die Gründe in Analphabetismus, zu geringen Kenntnissen sowie fehlender Motivation. "Zum Teil müssen sie erst alphabetisiert werden", sagte Reuß der SZ. Ein Berufsintegrationsjahr mache daher für diese Gruppe noch keinen Sinn und führe höchstens zu Frustration. Vor allem die SPD hatten vor geraumer Zeit kritisiert, dass nur ein Teil der 600 betroffenen jungen Flüchtlinge Plätze an der Berufsschule bekomme. Reuß erläutert in diesem Zusammenhang, dass es - analog zu den Berufsintegrationsklassen für Flüchtlinge - für Jugendliche aus dem Landkreis, die noch ohne Ausbildungsstelle sind, ein sogenanntes Berufsvorbereitungsjahr (BVJ) gebe, dass aber auch hier nicht jeder Jugendliche ohne Ausbildung einen Platz finde.

Von den 16 jungen Asylbewerbern, die in diesem Sommer das zweijährige Berufsschulprogramm beendeten, haben laut Reuß fünf den Qualifizierenden Hauptschulabschluss bestanden. Fast alle Absolventen seien anschließend in einer Ausbildung untergekommen, mancher, so habe sie gehört, habe aber zwischenzeitlich wieder abgebrochen. "Selbst die Guten tun sich extrem schwer wegen der Fachsprache in den Berufen", weiß Reuß. Deshalb seien Überlegungen im Gange, wie man die jungen Flüchtlinge auch noch während ihrer Ausbildungszeit weiterhin mit Förderunterricht unterstützen könnte. Die Finanzierung von Lehrkräften sei über sogenannte Drittmittel möglich, allerdings sei es extrem schwierig, die passenden Lehrkräfte zu finden

© SZ vom 09.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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