Fürstenfeldbruck:Zu viel Steuern

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Die Nürnberger FDP-Bundestagsabgeordnete Katja Hessel (stehend) möchte aus den Deutschen ein Volk von Aktienbesitzern machen. Außerdem tritt sie für Steuersenkungen sein. (Foto: Carmen Voxbrunner)

FDP-Politikerin Hessel vermisst Entlastung der Bürger

Von Karl-Wilhelm Götte, Fürstenfeldbruck

Lange hat die FDP es gemieden, jetzt wagen sich die Liberalen wieder an ihr Stammthema: Steuersenkungen. Dazu hatte der Brucker FDP-Kreisverband die Nürnberger Bundestagsabgeordnete Katja Hessel eingeladen. Sie ist Expertin in dieser Sache, ist sie doch im Hauptberuf Steuerberaterin mit eigener Kanzlei. Ihre zentrale These: "Die GroKo verweigert dem Volk Steuerentlastungen." Hessel, Mitglied im Finanzausschuss des Bundestages, will aus den Deutschen ein Aktionärsvolk machen.

Diese Idee verfing bei den 20 Besuchern jedoch nicht. Die FDP-Politikerin wusste auch, warum. "Das mit der Volksaktie Telekom ging schief", erinnerte sie auch an die massive Werbung und Verführung der Deutschen durch die Telekom mit dem 2016 gestorbenen Schauspieler Manfred Krug. Zudem ist die Telekomaktie in 20 Jahren eher gefallen als gestiegen.

"Ich habe noch nicht Idee, woran der Aktienaufbau bei den Deutschen scheitert", sagte Hessel dennoch. Die FDP sei als Fraktion an diesem Thema dran. In Sachen möglicher Steuersenkungen zählte Hessel 70 Milliarden Euro als Entlastungssumme zusammen. Die amtierende Regierung habe jedoch nur zehn Milliarden Euro eingeplant.

"Deutschland hat hinter Belgien die zweitgrößte Steuer- und Abgabenlast aller Industriestaaten", bemängelte die FDP-Politikerin. Die Mehreinnahmen der Großen Koalition zählte sie nacheinander auf. Allein durch die "kalte Progression" sind von 2010 bis 2016 etwa 30 Milliarden dazugekommen. Hessel erwähnte nicht, dass die FDP im Bund bis 2013 mitregiert hat. Auch daran, dass der heutige Spitzensteuersatz nur noch das 1,4-fache des Durchschnittseinkommens beträgt - 1960 war es noch das 20-fache - ist die FDP in den vergangenen 58 Jahren nicht unbeteiligt gewesen. 2,7 Millionen Arbeitnehmer zahlten heute den Spitzensteuersatz von 42 Prozent bezahlen. 2005 seien es nur 1,3 Millionen gewesen. Hessel sicher: "Die Mittelschicht wird hier eiskalt zur Oberschicht deklariert."

Die unzureichende Steuerentlastung bezeichnet Hessel als "Skandal". Die FDP habe in den Jamaika-Verhandlungen den Soli-Zuschlag abschaffen wollen. Jetzt habe die Partei den Antrag im Finanzausschuss eingebracht, den Soli ab 2020 zu streichen. Die Aussichten auf Erfolg seien jedoch schlecht, weil die Regierungskoalition im Bundestag gegen alles stimme, was von der Opposition komme.

Hessel sprach sich zudem für einen Unternehmenssteuerreform aus, weil Deutschland sonst im internationalen Wettbewerb nicht mehr mithalten könnte. "Reform" heißt für Hessel Steuersenkungen für Unternehmen. Die Flat-Tex-Idee lehnte Hessel jedoch ab: "Das wäre eine komplette Umkehr der Steuermentalität im Lande." Doch die Bundestagsabgeordnete beklagte: "Bei guter Kassenlage gibt es keine Reformen" und fügte hinzu: "Wir ruhen uns auf der Agenda 2010 aus." Sie forderte eine Rentenreform, gemeint ist eine weitere Kürzung der Rente, weil der Zuschuss des Staates an die Rentenkasse im Jahre 2022 etwa 109 Milliarden Euro betragen werde.

In der Diskussion plädierte ein Gast im Gegensatz zur FDP-Politikerin entschieden dafür, dass der Staat das Steuermilliarden-Plus für die Behebung der maroden Infrastruktur einsetzen soll. "Wir müssen mehr für Investitionen ausgeben", sagte Hessel dann auch, beklagte aber auch aktuell überteuerte Angebote der Bauindustrie. Dadurch stockten öffentliche Baumaßnahmen. "Wenn man rechtzeitig kommt, geht's noch", berichtete Eichenaus Bürgermeister Peter Münster von seinen Erfahrungen. Andreas Teichmann, FDP-Stadtrat in Olching, kam auf das Thema Steuersenkung zurück und sagte: "Wenn die Mehrheit der Bevölkerung keine Senkung will, dann soll sie auch zahlen."

© SZ vom 07.07.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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