Fürstenfeldbruck:Wohnzimmer auf der Straße

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Wie lebt es sich ohne Wohnung? Patrick Fissel (links) und Kai Kucharcik zeigen das mit einer Aktion vor der Sparkasse auf. (Foto: Carmen Voxbrunner)

Aktion macht auf Obdachlosigkeit aufmerksam

Von Jakob Mandel, Fürstenfeldbruck

Vor der Sparkasse in der Hauptstraße in Fürstenfeldbruck stehen am Mittwoch eine Couch und ein Sessel im Eiche-rustikal-Stil der Sechzigerjahre. Auf dem dazu passenden Tisch steht eine kleine Stehlampe. "Wir wollten ein Wohnzimmer ohne Wohnung darstellen", erklären Kai Kucharcik und Patrick Fissel, die damit auf den "Tag der Wohnungslosigkeit" der Caritas aufmerksam machen. Wie es ist, auf der Straße zu wohnen, das soll hiermit aufgezeigt werden.

Die beiden jungen Männer wollen dazu vor allem mit interessierten Bürgern sprechen, aber auch Betroffene beraten. Betroffene der Wohnungslosigkeit sind einerseits Obdachlose, andererseits auch all jene, die irgendwo untergekommen sind - bei Verwandten, Freunden oder einer Hilfseinrichtung. Das sei ein übergreifendes Problem und gerade im Münchner Umland, wo die Mieten so hoch seien, besonders präsent. Wer hier seine Wohnung verliere, habe oft trotz regelmäßigen Einkommens Probleme, eine bezahlbare Wohnung zu finden, erklärt Kucharcik.

Die Caritas schlägt "zehn gute Taten gegen Wohnungsnot" vor, die meisten sind, wie Kucharcik zufolge auch die Aktion auf der Straße, an die Politik gerichtet. Am wichtigsten sei, dass neuer, preisgünstiger Wohnraum geschaffen werde. Was neu gebaut werde, gehe aber zu oft an Besserverdienende, und es gebe immer weniger Sozialwohnungen, weil wenige neue nachkämen und alte nicht mehr an den Sozialpreis gebunden seien. "In Fürstenfeldbruck muss man drei bis fünf Jahre auf eine Sozialwohnung warten", so Kucharcik.

Etwa hundert Menschen waren im Vorjahr in Fürstenfeldbruck obdachlos, die Dunkelziffer sei vermutlich höher, sagt Kucharcik, der bei der Beratungsstelle und Unterkunft für junge und wohnungslose Erwachsene namens "Juwo" auf der Lände arbeitet. Fissel ist bei der "Kap", der Beratungsstelle und Unterkunft für wohnungslose Menschen, angestellt. Beide Angebote helfen auch, indem sie Essen und Kleidung anbieten. Sie würden regelmäßig genutzt, Langzeitarbeitslose seien dabei sogar die Ausnahme, erläutert Kucharcik: "Mehr als die Hälfte der Bewohner der Juwo arbeitet, macht eine Ausbildung oder geht noch zur Schule." Die Einrichtungen werden zwar vom Landkreis unterstützt, dennoch seien alle Spenden, ob Geld, Kleidung oder Nahrungskonserven, erwünscht und erforderlich, berichtet Fissel.

"Wir sind keine Streetworker", stellt Fissel klar, die Betroffenen müssten selbst zu den Einrichtungen kommen. Der Weg aus der Wohnungslosigkeit heraus sei schwer, weshalb die Caritas umfangreiche Beratung anbiete. "Als Obdachloser wird man stigmatisiert", weiß Fissel. Vermieter würden ihre Wohnungen ungern an Obdachlose vergeben, außerdem haben sie eine große Zahl an Bewerbern, aus denen sie sich die besten aussuchen könnten. Beispielsweise kämen pro Woche nur ein bis zwei bezahlbare Zwei-Zimmer-Wohnungen auf den Fürstenfeldbrucker Wohnungsmarkt, für die sich etwa hundert Personen bewerben würden. Wer einen Schufa-Eintrag habe, sei fast chancenlos.

© SZ vom 12.09.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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