Fürstenfeldbruck:Wohnraum verdrängt Geschichte

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Jahrhundertealte Handwerkerhäuser prägten das Erscheinungsbild der Schöngeisinger Straße in Fürstenfeldbruck. Nun sind zwei weitere zum Abriss freigegeben

Von Peter Bierl, Fürstenfeldbruck

Die innere Schöngeisinger Straße in Fürstenfeldbruck wird in den kommenden Jahren ihren Charakter verlieren. Mindestens zwei der fünf letzten alten Handwerkerhäuser aus dem 18. Jahrhundert sollen wesentlich größeren Wohnhäusern weichen. "Sonst müssen wir auf der grünen Wiese bauen", rechtfertigt Stadtbaumeister Martin Kornacher die beschlossenen Abrisse.

Im 18. Jahrhundert entstanden in der Schöngeisinger Straße eine Reihe von Handwerkerhäusern mit ein bis zwei Stockwerken. Die Dächer sind steil und waren früher mit Stroh gedeckt, der Dachstuhl besteht aus stehenden Dreiecken, weshalb das Dach nicht über den Giebel hinausragen kann. Solche Bürgerhäuser waren typisch für den Markt, ein Prototyp ist das Brameshuber in der Hauptstraße. Ein Kennzeichen ist auch, dass keine geschlossene Häuserfront zur Straße hin entstand, sondern dazwischen kleine Gassen angelegt wurden, weil die Handwerker oft hinter den Häusern eine kleine Landwirtschaft betrieben.

Auf einem Kupferstich hat Michel Wening Anno 1750 dieses Ensemble festgehalten. Eine Karte von Anno 1806 zeigt, wie sich die Häuser in der Schöngeisinger Straße, die damals noch Augsburger Straße hieß, um einen Abschnitt gruppieren, der sich aufweitet und in einen Platz mündet, der durch das Gebäude mit der Hausnummer 20 begrenzt ist. Etliche Häuser im östlichen Bereich wurden in der Epoche zwischen der Reichsgründung von 1871 und dem Ersten Weltkrieg durch massive Bauwerke der sogenannten Gründerzeit ersetzt. So entstand etwa das Bexenhaus mit der Nummer 6 als dreigeschossiges Wohn- und Geschäftshaus mit zwei Kastenerkern mit neubarocken Ziergiebeln, das heute unter Denkmalschutz steht.

Drei alte Handwerkerhäuser geben der inneren Schöngeisinger Straße noch ein Gesicht. Während das 400 Jahre alte Bauseweinhaus unter Denkmalschutz steht (von links) werden die beiden benachbarten Häusern vier neuen Wohngebäuden weichen müssen. (Foto: Carmen Voxbrunner)

Von den Handwerkerhäusern überlebten die Hausnummern 2, 6, 12, 14, 18 und 20 auf der Nordseite sowie die Nummer 5 auf der Südseite. Dieses Anwesen beherbergte einst eine Hufschmiede. 1793 wurde der Erzgießer Johann Baptist Stiglmaier dort geboren, der Onkel von Ferdinand von Miller. Alle diese alten Gebäude wurden im Lauf der Zeit verändert, nicht immer zu ihrem Vorteil. Die alte Substanz ist bei einigen aufgrund von Umbauten, ausgewechselten Fenstern und Türen nicht gleich erkennbar. Hausnummer 12 erhielt einen grauen Vorbau für die Ladenfront und Nummer 18 große Schaufenster. Unter Denkmalschutz stehen lediglich die Häuser 2, 18 und 20.

Dem aktuellen Boom werden die Häuser 12 und 14 zum Opfer fallen. Dort will eine Immobilienfirma aus Geltendorf vier Gebäude mit etwa 20 Wohneinheiten und einer Tiefgarage errichten, erklärt der Stadtbaumeister. Die Stadt hat gestützt auf ihr Vorkaufsrecht einen Vertrag ausgehandelt, der vorsieht, dass der Eigentümer mithilfe von Steuergeldern vom Freistaat ein paar günstigere Wohnungen errichtet.

Zur Straße hin soll eine geschlossene Häuserfront aus drei Stockwerken plus ausgebautem Dachgeschoss entstehen, dahinter zweistöckige Gebäude plus Dachterrassen-Wohnungen. Der Fürstenfeldbrucker Stadtrat hat den Vorbescheid genehmigt. Das Landesamt für Denkmalschutz fordert, dass zur Nummer 18 hin, dem sogenannten Bausewein-Haus, niedriger gebaut wird. Auf den ersten sieben Metern soll maximal ein Bau mit zwei Stockwerken sowie Dachgeschoss hingestellt werden dürfen.

Der Abriss droht auf der anderen Seite auch dem Erzgießerhaus. (Foto: Carmen Voxbrunner)

Davor würde eine Tiefgaragenausfahrt platziert, eventuell muss das gläserne Bushäuschen weichen. Diese Ausfahrt würde nicht bloß von Bewohnern der Neubauten an der Schöngeisinger Straße genutzt. Die Stadt hat an der Ludwigstraße eine Immobilie erworben. Dort soll ein weiterer Komplex mit etwa 20 Wohnungen entstehen, sagt Kornacher. Die Tiefgarage dieses Neubaus soll mit jener für die Schöngeisinger Straße verbunden werden. Damit wolle die Kommune verhindern, dass mehr Autos ins Innere des Gevierts Hauptstraße, Schöngeisinger-, Pucher- und Kapuzinerstraße fahren. Dass es auf der belasteten Schöngeisinger Straße zu einem Verkehrschaos kommt, wenn zusätzlich die Fahrzeuge in die neue Tiefgaragen ein- und ausfahren, glaubt der Fürstenfeldbrucker Stadtbaumeister nicht.

Das Schicksal des Erzgießerhauses ist derzeit offen. Übrig bleiben werden wohl die Nummer 18, das Bauseweinhaus, und die Nummer 20. Das Bauseweinhaus ist ein verputzter Fachwerkbau mit Satteldach und Standerker. Das Gebäude ist im Kern an die 400 Jahre alt und wurde Anfang des 19. Jahrhunderts umgebaut. Es diente im Lauf der Jahrhunderte als Brauerei, Metzgerei, Zimmerei und Schusterladen, als Drogerie, Parfümerie und heute als Juweliergeschäft. Das Handwerkerhaus mit der Nummer 20 entstand um 1740 als zweigeschossiger Bau mit Walmdach und einer kleinen Figurennische.

Im 18. Jahrhundert entstanden in der Schöngeisinger Straße eine Reihe von Handwerkerhäusern mit ein bis zwei Stockwerken. (Foto: Googlemaps)

Stadtrat und Stadtbaumeister sehen keine Alternative zum Abriss von Gebäuden, die prägend für die Brucker Geschichte sind. "Wenn wir das vorhandene Baurecht in der Stadt nicht ausschöpfen, müssen wir doppelt so viele Flächen als geplant auf der grünen Wiese ausweisen", sagt Kornacher.

© SZ vom 23.08.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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