Fürstenfeldbruck:Wohnen bei Oma

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Mit einer neuen Teilzeitstelle im Landratsamt soll das Projekt "Wohnen für Hilfe" im Landkreis gefördert werden. So sollen Berufsanfänger und Studenten an Senioren vermittelt werden, die Unterstützung im Alltag brauchen

Von Ariane Lindenbach, Fürstenfeldbruck

Eine gute Idee gegen Wohnungsknappheit und das Auseinanderdriften der Generationen: Das Projekt "Wohnen für Hilfe" bringt Menschen mit wenig Geld - in der Regel junge Erwachsene am Anfang ihres Berufslebens - mit Personen zusammen, die viel Raum zum Wohnen haben, aber vielleicht nicht mehr die Energie, ein ganzes Haus mit Garten in Schuss zu halten. Der Landkreis schafft nun eine Teilzeitstelle, die die beiden Personengruppen zusammenbringen soll. Sie wird voraussichtlich von Anfang nächsten Jahres an ihre Arbeit im Landratsamt aufnehmen und damit Senioren wie Berufsanfängern weiterhelfen.

Gerade im Speckgürtel Münchens mit den vielen Eiwo-Siedlungen, die im Zuge der Olympischen Spiele 1972 entstanden sind, zeigt sich die Entwicklung deutlich: Vor 40 Jahren bezogen junge Familien mit Kindern die Reihenhäuser mit Gärten. Heute leben dort die Eltern, oft nur noch die Mütter von damals, inzwischen um vier Jahrzehnte gealtert, alleine. Eigentlich haben sie zu viel Platz, aber Umziehen mit durchschnittlich 70 Jahren ist keine Option. Auf der anderen Seite stehen die jungen Menschen, die nicht so viel Geld verdienen und bereit sind, für Wohnraum ihre Hilfe anzubieten.

"Pro Quadratmeter Wohnraum, sagt man, eine Stunde Arbeit im Monat", erläutert Rike Strohmeyer, die Regionalmanagerin, die sich beim Verein Seniorentreff Neuhausen über das Projekt erkundigt hat, das der Kreistag nun ohne Gegenstimmen bewilligt hat. Es kann über das Ministerium für Arbeit und Soziales, Familien und Integration mit einer Anschubfinanzierung gefördert werden. In der Landeshauptstadt wird "Wohnen für Hilfe" seit dem Wintersemester 1996/1997 praktiziert. Die Initiative ging seinerzeit vom Studentenwerk aus. Denn schon vor 20 Jahren waren die Mieten in München überdurchschnittlich hoch. Wie Strohmeyer erläutert, gibt es bereits im Landkreis "fünf bis sechs Wohnpartnerschaften", die der Verein mitbetreut. In Stadt und Landkreis München sind es aktuell etwa 70 Partnerschaften.

Doch wieso braucht man überhaupt einen eigenen Ansprechpartner, wieso schafft der Landkreis eine weitere, wenn auch Teilzeit-Stelle, wo es doch im Internet diverse Plattformen gibt, über die sich Wohnraumgeber und Hilfeanbieter selbständig treffen können? Die Vermittlungsstelle soll vor allen Dingen darauf achten, dass alles korrekt abläuft und somit auch eine gewisse Seriosität vermitteln. Das beginnt schon dabei, dass sich Anbieter wie Interessenten dort mit ihren überprüfbaren Personalien anmelden. Im Internet kann jeder einen Fantasienamen angeben. Zudem wird der Vermittler den angebotenen Wohnraum vor Ort überprüfen, was weiteren Schutz vor Missbrauch sowie Missverständnissen bietet.

Es wird beispielsweise aufgeführt, ob nur ein Zimmer zur Verfügung steht und Küche und Bad gemeinsam genutzt werden sollen, oder eine eigene Einliegerwohnung. Und der Vermittler wird den Interessenten dazu befragen, welche Dienstleistungen - vom Einkaufen über Putzen bis zur Gartenarbeit - er zu leisten bereit ist. Für beide Seiten freilich gilt als Grundvoraussetzung, dass sie mit einem deutlich älteren oder jüngeren Menschen zusammenwohnen wollen.

Der zukünftige Vermittler sollte nach Strohmeyers Vorstellungen auch sein menschliches Gespür walten lassen, wenn er zwei Menschen zu einer Wohnpartnerschaft zusammenbringen möchte. Liegt er richtig und beide Seiten wollen zusammenwohnen, dann setzt er individuell nach den jeweiligen Vorstellungen einen Vertrag für das Wohnprojekt auf. Darin wird beispielsweise festgehalten, wie viele Stunden im Monat der Wohnraumnehmer welche Art von Hilfe leisten muss oder auch wie lang die Kündigungsfrist ist.

Und wenn die ungewöhnliche Wohngemeinschaft dann Realität ist, steht der Vermittler auch weiterhin als Ansprechpartner zur Verfügung. "Ich denke, das wird schon nicht einfach werden. Aber deswegen ist es so wichtig, einen Ansprechpartner zu haben", unterstreicht die Regionalmanagerin. Beim Austausch mit dem Verein Seniorentreff Neuhausen habe sie erfahren, dass es durchaus Konflikte geben könne, wenn Menschen von so unterschiedlichem Alter zusammenleben. Doch die meisten Teilnehmer würden diese Auseinandersetzungen eher als Bereicherung erfahren und sich erneut für das Wohnprojekt melden, berichtet Strohmeyer. In München etwa gibt es Wohnpartnerschaften, die bereits nach wenigen Tagen endeten, die längste dauert bereits zwölf Jahre.

Doch von so langer Dauer werden die meisten Wohngemeinschaften nach Strohmeyers Einschätzung nicht sein. Viele der "Mieter" benötigen die Unterkunft nur eine absehbare Zeit, etwa weil sie von Berufs wegen in eine andere Stadt ziehen oder eine Familie gründen. Und bei den "Vermietern" ist es häufig der Umzug in ein Pflegeheim, der sich in vielen Fällen auch mit einem noch so hilfsbereiten Untermieter nicht gänzlich vermeiden lässt.

© SZ vom 24.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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