Fürstenfeldbruck:Wirtschaftskrise und radikale Ideologien

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Alexander Schmiedel und Kerstin Krefft präsentieren in kleinen Episoden Horvaths Roman aus der Zwischenkriegszeit. (Foto: Klaus Schräder/OH)

Die Neue Bühne Bruck kehrt mit Horvaths "Der ewige Spießer" aus der Coronapause zurück

Von Florian J. Haamann, Fürstenfeldbruck

Es klingt wie die Beschreibung der aktuellen Zustände: Eine Wirtschaftskrise beherrscht den Alltag, während sich radikale Ideologien weiter ausbreiten. Dabei geht es um den 1930 erschienen Roman "Der ewige Spießer" von Ödön von Horvath. Eine Bühnenadaption davon ist es, mit der die Neue Bühne Bruck am Freitag, 2. Oktober, in die neue Spielzeit startet, es ist die erste Aufführung seit März.

Weil die Bühne der Neuen Bühne relativ klein ist und mit einem größeren Ensemble unter Corona-Auflagen nur schwer zu bespielen wäre, ist "Der ewige Spießer" als szenische Lesung für zwei Personen anlegt. Denn als die Entscheidung getroffen werden musste, wie die Neue Bühne weitermacht, war noch überhaupt nicht klar, unter welchen Bedingungen die Theater überhaupt spielen werden dürfen. "Deswegen haben wir gesagt, wir gehen erst einmal auf Nummer sicher und machen eine szenische Lesung", sagt Schmiedel.

Auf der Bühne stehen Alexander Schmiedel - zum ersten Mal, seit er vor knapp einem Jahr die Leitung der Bühne von Harald Molocher übernommen hat - und Kerstin Krefft, die sonst vor allem als Dramaturgin für die Neue Bühne arbeitet. "Es hat mich einfach gejuckt, jetzt wo wir so lange nicht auf der Bühne sein konnten", sagt Schmiedel zu seiner Entscheidung, selbst in dem Stück mitzuspielen. Außerdem sei es bei all dem organisatorischen Aufwand, der mit der Leitung des Theaters zusammenhängt, leichter, eine szenische Lesung zu proben, als gleich ein komplettes Stück. "Mit Kerstin habe ich eine gute Verbindung, und wir haben uns schnell drauf geeinigt, dass wir was aus den Zwanzigerjahren machen." Von da war der Weg zu Horvath und seinem in München spielenden Stück nicht mehr weit.

Die Zeit zwischen den beiden Weltkriegen sei eine Phase, die die beiden schon lange fasziniert. "Valentin, der junge Brecht, Döblin, Remarque, das alles interessiert mich schon immer. Dazu die ganzen Umbrüche in Politik und Gesellschaft, es ist einfach eine faszinierende Zeit", erzählt Schmiedel.

"Der ewige Spießer" ist Horvaths erster Roman und bereits genauso gesellschaftskritisch wie seine späteren Werke, etwa "Jugend ohne Gott", "Geschichten aus dem Wiener Wald" oder "Kasimir und Karoline". Es geht um verarmte Menschen, die sich irgendwie durchs Leben schlagen und jede Chance ergreifen, die sich ihnen bietet. Etwa der bauernschlaue Autoverkäufer Alfons Kobler, der sein quasi ergaunertes Geld in seine Reise investiert, auf der er sich eine reiche Frau angeln will. Oder seine ehemalige Geliebte Anna Pollinger, die unverschuldet in Not gerät und sich in die Prostitution flüchtet. Immer wieder ist dabei auch der heraufziehende Faschismus Thema. "Uns hat die Aktualität des Stoffes gereizt, dieser ewige Kreislauf. Es geht darum zu zeigen, dass man diese Dinge nicht auf die leichte Schulter nehmen darf. Dass man durch Dinge die 100 Jahre her sind, aktuelle Gefahren zeigen kann", sagt Schmiedel.

Die Bühnenversion hat Krefft selbst geschrieben. Entstanden sind viele kleine Szenen, die sich an das Episodenhafte und Assoziative des Romans anlehnen und die die beiden Schauspieler in drei Teilen erzählen.

Schmiedel jedenfalls freut sich, dass die Neue Bühne endlich wieder Theater zeigen kann. "Die vergangenen Monate waren für uns nicht völlig deprimierend, ich finde wir haben es zusammen ganz gut hingekriegt. Auch finanziell ist alles noch im Rahmen, wir müssen ja immer genau auf unsere Ausgaben schauen, jetzt halt noch ein bisschen mehr", sagt er. Die spielfreie Zeit habe man genutzt, um das Theater richtig rauszuputzen. Die Bühne wurde komplett entrümpelt und aufgeräumt, die Technik überprüft. "Die Zeit hat uns als Team noch einmal weiter zusammengeschweißt."

Auch den Rest der Spielzeit hat man an der Neuen Bühne bereits geplant. Im Dezember soll "Das Abschiedsdinner" von Matthieu Delaporte und Alexandre de la Patellière gespielt werden, danach das Kinderstück "Ein Schaf fürs Leben". Folgen sollen dann noch eine weitere Lesung und zum Spielzeitabschluss "Biedermann und die Brandstifter. Und auch der im März nach zwei Vorstellungen wegen Corona abgesetzte Felix Krull soll vielleicht wieder aufgenommen werden.

"Der ewige Spießer", Neue Bühne Bruck, Premiere am Freitag, 2. Oktober. Nächste Termine: 9., 10. 16., 17., 30. und 31. Otkober, jeweils von 20 Uhr an

© SZ vom 01.10.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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