Fürstenfeldbruck:"Wir wollen den gemeinsamen Glauben feiern"

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Zwei, die vom Wert der Ökumene überzeugt sind: die evangelische Vera Gedon und der katholische Edgar Fahmüller. (Foto: Carmen Voxbrunner)

Vera Gedon, Sprecherin des Christenrates von Fürstenfeldbruck und Emmering, und der ehemalige Diözesanrat Edgar Fahmüller sprechen über den Zustand der Ökumene und den Kirchentag in der Kreisstadt

Interview von Andreas Ostermeier, Fürstenfeldbruck

Erstmals findet in Fürstenfeldbruck ein Ökumenischer Kirchentag statt. Vera Gedon vom Kirchenvorstand der evangelischen Gnadenkirche ist Sprecherin des Christenrates von Fürstenfeldbruck und Emmering. Die 60-Jährige gehört dem Organisationsteam an, das zwei Jahre an der Vorbereitung der Veranstaltung gearbeitet hat. Auch der Puchheimer Edgar Fahmüller hat Erfahrungen mit der Vorbereitung eines Kirchentags, im Jahr 1997 in seiner Heimatgemeinde. Der 75 Jahre alte ehemalige Gymnasiallehrer für katholische Religion und Latein war 15 Jahre lang Vorsitzender des Ökumene-Ausschusses des Diözesanrates und an der Vorbereitung des Ökumenischen Kirchentages in München 2010 beteiligt.

SZ: Warum setzen Sie sich für die Ökumene ein?

Vera Gedon: Ich verstehe mich in erster Linie als Christin und erst dann als evangelische Christin.

Edgar Fahmüller: Bei mir kommt die Motivation aus dem Theologiestudium bei Professor Fries, dem bekannten Ökumeniker. Außerdem war ich in der Jugendarbeit auch ökumenisch engagiert und wurde, obwohl katholischer Theologe, als Delegierter der evangelischen Jugend in Bayern zur vierten Vollversammlung des Ökumenischen Rates nach Uppsala geschickt. Das war damals, im Jahr 1968, eine fast revolutionäre Entscheidung. Es war und ist mir ein Anliegen, das, was ich von der Theologie her im ökumenischen Bereich erfahren habe, in die Praxis umzusetzen.

Die Glaubensspaltung in Deutschland ist an die 500 Jahre alt. Es gibt katholische und evangelische Christen. Warum braucht es Ökumene?

Gedon: Jesus wollte, dass wir alle eins sind. Sicherlich , wir sind als Menschen unterschiedlich, deswegen entwickelt sich vieles unterschiedlich. Aber ich halte es für wichtig, dass Christus das wollte. Wir müssen nicht die große eine Kirche schaffen, aber als Christen bestimmte Dinge gemeinsam tun können.

Was meinen Sie mit bestimmten Dingen?

Gedon: Als Christen sollen wir miteinander leben, ohne auf Konfessionen zu achten.

Fahmüller: In meiner Zeit als Pfarrjugendleiter in den Sechzigerjahren lautete ein Vortragsthema zur Gebetswoche für die Einheit der Christen: "Skandal unter Brüdern". Und es ist wirklich ein Skandal, dass das Zeugnis der Christen in der Welt durch die fortdauernde Spaltung der Christenheit verdunkelt wird. Das wird übrigens auch in der Regel der ökumenischen Gemeinschaft von Taizé betont, wo es heißt: "Finde dich niemals ab mit dem Skandal der Spaltung unter den Christen!" Bei der Ökumene geht es nicht nur um das Ende des Streits, sondern viel mehr darum, sich zu begegnen und als Christen gemeinsam zu handeln.

Der Fürstenfeldbrucker evangelische Dekan Stefan Reimers sagte kürzlich in einem Interview, er sehe die Gefahr, dass die ökumenische Begeisterung einschlafe. Hat er recht?

Gedon: Die Ökumene lebt in erster Linie an der Basis. Da kommt es auf die Akteure an. Das Engagement bleibt an wenigen hängen. Unterm Strich stelle ich aber keinen Unterschied zu früher fest. Wichtig sind Gremien wie der Christenrat, damit die Arbeit kontinuierlich getan wird und nicht nur von Einzelpersonen abhängt.

Fahmüller: Herr Reimers hat wohl von der Basis gesprochen, und ich gebe ihm recht, dass die ursprüngliche Begeisterung nachgelassen hat. Die Ökumene an der Basis braucht einen Motor, und diese Aufgabe sollte nicht auch noch den Pfarrern aufgeladen werden, die ohnehin mit zu vielen anderen Aufgaben belastet sind. Dazu kommt, dass inzwischen viele Schwierigkeiten überwunden sind, beispielsweise die Probleme, die früher bei Eheschließungen von Partnern aus verschiedenen Konfessionen bestanden. Ursprünglich wurden diese als Mischehe, später als konfessionsverschiedene Ehe bezeichnet. Heute spricht man von konfessionsverbindender Ehe, um das Gemeinsame zu betonen. Der Weg der Ökumene ist zu vergleichen mit einer Bergtour. In der Ebene geht es schnell voran, aber Richtung Gipfel, also hin zu einer echten Einheit, geht es langsamer, manchmal hängt man auch beim Klettern fest.

Gedon: Um das Bild weiterzutreiben: Es ist auch das Wetter wichtig. Wenn es extrem wird, braucht man gutes Wetter.

Fahmüller: Und dann sind mitunter auftretende atmosphärische Störungen durch erzkonservative Gruppen oder aus Rom störend und hinderlich.

In dem genannten Interview ruft Dekan Reimers auch dazu auf, die Angst zu überwinden, dass die Ökumene eigene Überzeugungen gefährden könne. Wo zeigt sich diese Angst?

Fahmüller: Eine gewisse Trägheit des Denkens kann zu dieser Angst führen, oder die Sorge, man müsste mal umdenken. Es gibt aber auch Bremser, die sagen, man müsse zunächst das eigene Profil schärfen.

Gedon: Dazu fallen mir gleich zwei Beispiele ein. Das eine ist die Segnung von Rettungsfahrzeugen oder ähnlichem. Fürstenfeldbrucks katholischer Dekan Albert Bauernfeind weigert sich, zu einer Segnung zu gehen, wenn der evangelische Pfarrer nicht eingeladen ist. Zweites Beispiel: Ich trage die Gemeindebriefe aus und klingle an einem Mehrparteienhaus. Daraufhin heißt es: "Hier wohnen keine Evangelischen."

Fahmüller: Diese konfessionelle Abschottungshaltung steckt halt immer noch manchen in den Knochen.

Wie sieht die Ökumene an der Basis in Fürstenfeldbruck aus? Was ist gelungen, was bleibt noch zu tun?

Gedon: Durch die Zusammenarbeit für den Ökumenischen Kirchentag in München im Jahr 2010 sind wir einen ganzen Schritt weitergekommen. Inzwischen arbeiten wir auch mit einer Freikirche zusammen, die Rumänischen Orthodoxen sind dazugekommen und auch die Neuapostolische Kirche. Daran merkt man, es ist ein Bedarf nach Zusammenarbeit vorhanden.

Fahmüller: Wenn man eine Partnerschaft pflegen will, muss man Berührungspunkte suchen und die bestehenden Kontakte lebendig halten. Genauso ist es mit der Ökumene: Man muss immer wieder überlegen, wie man die Einheit der Christen deutlich machen kann. So haben bei der Puchheimer Kulturale im Mai viele aus verschiedenen Gruppierungen zusammengearbeitet. Und beim Friedensritual am Ende des Tages war neben Seelsorgern der Katholiken und Lutheraner, der Baptisten, der Evangelischen Gemeinschaft und der Vineyard-Gemeinde auch eine Muslima dabei. Jeder hat Friedenstexte aus seinen heiligen Büchern vorgelesen und zum Abschluss das Gebet der Vereinten Nationen mitgesprochen. Diese Feier wurde in Puchheim erstmalig in dieser Form praktiziert.

Was kann der Ökumenische Kirchentag in Fürstenfeldbruck erreichen?

Gedon: Wir haben gesagt, wir wollen unseren gemeinsamen Glauben feiern. Er soll nach außen sichtbar werden. Ich hoffe, dass der Kirchentag neugierig macht darauf, was Glaube, was Kirche, was Gott zu bieten hat.

Fahmüller: Wenn ich an unsere Erfahrung beim Ökumenischen Kirchentag in Puchheim 1997 denke: Es bringt zunächst einmal eine starke Vernetzung unter den beteiligten Gruppen. Der Wunsch ist, dass es auch über die Beteiligten hinausgeht, wenngleich ich feststelle, dass man nur einen geringen Teil der Fernstehenden erreichen kann.

Papst Franziskus stammt aus einem katholischen Land und von einem katholischen Kontinent. Interessiert ihn die Ökumene? Kann er die Probleme in einem Land mit zwei etwa gleichstarken christlichen Konfessionen nachvollziehen?

Fahmüller: Ich hoffe, dass sich Papst Franziskus im Hinblick auf ökumenische Fragen von Praktikern beraten lässt. Er erscheint mir durchaus als aufgeschlossen, ich erwarte aber aus Rom zurzeit keine entscheidenden Impulse. Wohl aber wünsche ich mir mehr Entscheidungsfreiheit für die Kirchen vor Ort.

Gedon: Ich habe mich mit der Rolle des Papstes in Zusammenhang mit der Ökumene noch nicht befasst. Aber ich denke, dass er ein kluger Kopf ist, der sich von den richtigen Leuten beraten lässt.

2017 ist Luthers Thesenanschlag 500 Jahre her. Wie geht man dieses Ereignis ökumenisch an?

Gedon: Auffallend ist schon mal, dass zwei mögliche Bezeichnungen verwendet werden: Jubiläum und Gedenken. Denn es war eine Reformation für das gesamte Christentum.

Fahmüller: Ich hoffe, dass bewusst wird, was Luthers Anliegen war. Schon 1983, zum 500. Geburtstag von Luther, hat eine Kommission aus katholischen und evangelischen Theologen Luther einen "Zeugen Jesu Christi" genannt. Nun stellt die Lutherisch/Römisch-katholische Kommission für die Einheit ein Vorbereitungsdokument für das Gedenken 2017 unter den Titel "Vom Konflikt zur Gemeinschaft". Das drückt treffend aus, was dieses Jahr bringen soll.

Wann wird die Spaltung Geschichte sein?

Gedon: Die Spaltung des Christentums wird noch lange nicht Geschichte sein.

Fahmüller: Das ist noch ein langer Weg. Ein Ereignis wie 2017 sollte mit Erwartungen auf ein Ende der Spaltung nicht überfrachtet werden, aber es ist zu wünschen, dass es einen Impuls auf dem Weg zur Einheit gibt.

© SZ vom 20.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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