Fürstenfeldbruck:"Wenn gebaut wird, ist das Denkmal zerstört"

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Kreisheimatpfleger Markus Wild erklärt im SZ-Interview, warum er Archäologie für wichtig hält

Interview von Katharina Knaut, Fürstenfeldbruck

Tierknochen gehören zu den Funden im Kreis, die Archäologen immer wieder machen. (Foto: Carmen Voxbrunner)

Denkmäler sind nicht nur Relikte vergangener Jahrhunderte, sie markieren ebenso historische Veränderungen, den Beginn einer neuen Zeit. Anlässlich des "Tag des offenen Denkmals" spricht Kreisheimatpfleger Markus Wild in einem Vortrag "Moderne Zeiten - Eine Geschichte von Umbrüchen, Neuerungen und Epochenwenden aus 10 000 Jahren im Brucker Land" über historische Funde im Landkreis und ihre Bedeutung für die heutige Zeit.

SZ: Das Motto des diesjährigen "Tag des offenen Denkmals" lautet: "Modern(e): Umbrüche in Kunst und Architektur". Wie passt Moderne mit historischen Denkmälern zusammen?

Markus Wild: Es scheint auf den ersten Blick widersprüchlich: Die Archäologie beschäftigt sich schließlich mit der Vergangenheit. Aber jede Änderung in der Vergangenheit könnte als moderner Umbruch wahrgenommen werden.

Seit April ist Markus Wild der neue Kreisheimatpfleger für den Bereich Bodendenkmalpflege. Der studierte Archäologe nahm an mehreren Grabungen im Aus- und Inland teil, auch im Landkreis Fürstenfeldbruck (Foto: Carmen Voxbrunner)

Welche Umbrüche gab es im Landkreis?

Natürlich politische Ereignisse, wie die Eroberung Südbayerns durch die Römer 15 vor Christus. Die ältesten Anzeichen für eine hölzerne römische Villa finden sich in der Hasenheide. Es gab aber nicht nur punktuelle Ereignisse, sondern auch kontinuierliche Veränderungen, wie den Wandel zu einer sesshaften Lebensweise.

Haben diese Funde eine Bedeutung für die heutige Zeit?

Archäologie steht immer unter dem Druck zu zeigen, warum sie relevant ist. Aber sie kann offenlegen, wie Menschen mit Neuerungen umgehen. Beispielsweise, wie sie auf klimatische Veränderungen oder auf allgegenwärtige Themen wie Migration reagierten. Wir können verstehen, welche Strategien die Menschen angewandt haben. Wir sollten aus der Geschichte lernen. Natürlich tun wir das selten.

Als einer der Kreisheimatpfleger sind Sie für Bodendenkmäler zuständig, ihre Kollegin Susanne Poller für Baudenkmäler. Wo liegt da der Unterschied?

Als Bodendenkmal zählt alles, was tatsächlich im Boden zu finden ist. Obertägig ist sehr wenig bis nichts vorhanden. Die wenigsten archäologischen Befunde, wie beispielsweise verlassene Siedlungen, sind tatsächlich im Gelände sichtbar. Zu den Baudenkmälern zählen zum Beispiel Kirchen.

Ab wann gilt etwas als Denkmal?

Die genaue Definition steht im Bayerischen Denkmalschutzgesetz. Aber im Prinzip alles, was einen historischen Wert hat. Was viele Leute nicht wissen: Auch Fundmaterial zählt zum Denkmal. Jede unscheinbare Scherbe, jede Fibel von einem römischen Villenstandort gehört dazu. Der Denkmalcharakter entsteht durch die Gesamtheit der Einzelteile. Deswegen muss jemand, der in der Nähe eines Bodendenkmals bauen will, einen Archäologen beauftragen, der das Areal begutachtet, Funde sichert und dokumentiert. Denn wenn gebaut wird, ist das Denkmal zerstört. Der Großteil der Archäologie in Bayern besteht aus der Rettungsarchäologie, bei der Bodendenkmäler ausgegraben werden, weil gebaut wird.

Werden viele Denkmäler so zerstört?

Durch den Bauboom im Großraum München gibt es schon einen großen Denkmalverlust. Aber in der Regel bleiben zumindest die Funde und die Dokumentation erhalten. Dennoch ist der Druck auf Bodendenkmäler in einer Gegend, in der so viel gebaut wird, natürlich groß.

Interessieren sich die Menschen heute überhaupt noch für Denkmäler, für Historie allgemein?

Ich denke ja. Es ist das grundlegende Interesse von Menschen zu wissen, was vorher da war. Wir brauchen das, um uns in der Geschichte positionieren zu können. Wir können den Gedanken nicht ertragen, historisch in einem luftleeren Raum zu schweben. Das wird immer da sein, deswegen werden wir die Faszination an der Geschichte immer behalten.

Hilft der Tag des offenen Denkmals, die Denkmäler und ihre Bedeutung wieder präsenter zu machen?

Es hilft vor allem, den Blick auf eher unscheinbare Zeugnisse zu lenken. Wir haben hier schließlich kein Kolosseum. Da geraten Denkmäler oft aus dem Blickfeld. Vor allem die Bedeutung und die Aussagekraft, die auch drei Scherben oder der Grundriss eines Holzgebäudes haben kann. Da kann der Tag viel dazu beitragen.

Markus Wild hält seinen Vortrag am Montag, 9. September, von 18.30 Uhr an im Lichtspielhaus in Fürstenfeldbruck, Maisacherstraße 7. Der "Tag des offenen Denkmals" findet einen Tag früher, Sonntag, 8. September, statt. Dabei werden verschiedene Aktionen im ganzen Landkreis angeboten.

© SZ vom 05.09.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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