Fürstenfeldbruck:Wenn aus Ängsten Gerüchte werden

Lesezeit: 2 min

Immer wieder finden sich Behauptungen, wonach Flüchtlinge Frauen belästigen oder sogar vergewaltigen würden. Doch dafür gebe es keine Belege, sagt die Polizei

Von Ariane Lindenbach, Fürstenfeldbruck

In Germering sollen Flüchtlinge drei Frauen vergewaltigt haben, in Maisach eine 16-Jährige, in Fürstenfeldbruck eine Rentnerin. Solche Gerüchte kursieren derzeit immer wieder, im Gespräch mit Bekannten und, viel öfter noch, in sozialen Netzwerken im Internet. Wie die Polizei betont, sind im Landkreis keinerlei Übergriffe von Asylbewerbern auf Frauen gemeldet worden. Trotzdem tauchen derartige Behauptungen immer wieder auf. Fachleute gehen davon aus, dass sie, vor allem im Internet, gezielt von Rechten gestreut werden, um Ängste in der Bevölkerung zu schüren.

"Das scheint irgendwie ein menschliches Phänomen zu sein: Man hört irgendwas, erzählt es weiter und spätestens beim Dritten kommen die wildesten Gerüchte heraus", sagt Michael Fischer. Der stellvertretende Leiter der Polizeiinspektion Fürstenfeldbruck will Menschen, die solche Gerüchte verbreiten, nicht unbedingt in die rechte Ecke stellen. Für ihn hat es mit dem Phänomen "Stille Post" zu tun, dass eine Geschichte mit jeder Person, die sie weitererzählt, extremer wird. Als Beispiel erzählt er , wie sich einmal - ganz ohne Flüchtlinge - in Windeseile das Gerücht verbreitet hat, zwölf Kinder seien in Bruck entführt worden. Das erwies sich damals glücklicherweise als ebenso falsch wie heute die Gerüchte über die Frauen belästigenden Flüchtlinge. Obwohl bislang kein Übergriff gemeldet wurde, rufen Fischer zufolge regelmäßig Leute bei der Polizei an und fragen nach angeblichen Vergewaltigungen.

Auch Birgit Epp kennt solche Fragen. Seit drei Jahren engagiert sie sich beim Asylhelferkreis in Fürstenfeldbruck. Gelegentlich, wenn wieder Flüchtlinge neu in einer Kommune untergebracht werden sollen, klärt sie bei kommunalen Info-Veranstaltungen darüber auf, wie sich das Zusammenleben mit den Asylbewerbern gestaltet. "Wenn wir da waren, da kam immer die Frage, was machen die den ganzen Tag, die gehen ja durch den Ort und belästigen unsere Frauen und Kinder." Das höre sie dort zu 99 Prozent. Allerdings ließen sich die meisten durch ihre Erzählungen beruhigen. In ihrem sonstigen Alltag ist Epp bislang nicht mit solchen Gerüchten konfrontiert worden. Doch Anfang des Jahres habe sich der Betreiber eines Clubs an die Helfer gewandt, "der sagte, die Afrikaner wären zu aufdringlich". Die Helfer trafen ihn und einen Vertreter der Stadt Fürstenfeldbruck. Laut Epp einigte man sich darauf, den Asylbewerbern zu verdeutlichen, wie sie sich hier gegenüber Frauen zu verhalten haben. Das passiere inzwischen ganz automatisch zusammen mit der Vermittlung anderer Regeln, etwa der Mülltrennung. Die Männer würden das rasch akzeptieren. "Seither habe ich auch nichts mehr gehört", betont die Helferin.

"Man muss schon sehen, dass es viele Flüchtlinge nicht gewohnt sind, wie selbstbewusst und offen die Frauen hier auftreten", unterstreicht Anja Blobner. Die Sozialpädagogin vom Verein Frauen helfen Frauen will diesen Aspekt nicht außer Acht lassen. Von tatsächlichen Übergriffen oder Belästigungen jedoch hat man beim Verein noch nichts gehört. Doch die Ängste davor erreichen die Mitarbeiterinnen schon. Blobner berichtet von entsprechenden Anfragen: "Wir diskutieren viel im Team darüber, weil wir spüren, dass die Ängste da sind, wie das mit den Flüchtlingsmännern und dem Frauenbild ist." Von der Idee einer Postkarte mit Verhaltensregeln seien sie aber wieder abgerückt.

Karl-Heinz Theis, Koordinator der Asylunterkunft in Geiselbullach, "kann eigentlich zu dem Thema gar nichts sagen". Wie der Asylhelfer betont, hat er weder aus eigener Erfahrung noch von seinen Helfer-Kollegen irgendetwas von Beleidigungen oder Übergriffen auf Frauen erlebt. "Auch untereinander ist nichts", betont der Kreisvorsitzende des Kinderschutzbundes. Wie Epp kennt er die Berichte von belästigten oder vergewaltigten Frauen vor allem von außen, von Menschen, die nicht direkt mit Asylbewerbern zu tun haben. Etwa das Gerücht, junge Flüchtlinge würden in Olching am Gymnasium die Mädchen fotografieren. Dass manche, wie es scheint, bewusst gegen Flüchtlinge hetzen, macht Theis Sorgen. "Wer Angst schürt, wird Verunsicherung ernten. Und die entlädt sich dann in der Ablehnung von Fremden."

© SZ vom 16.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: