Fürstenfeldbruck:Wandlungsfähig wie Chamäleons

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Blockflöten, wie die, die das Ensemble Flautando spielt, sind in Konzerten selten zu sehen. Deshalb war das Interesse der Zuhörer im Stadtsaal groß. (Foto: Günther Reger)

Das Ensemble "Flautando Köln" bringt ganz unterschiedliche Blockflöten im Stadtsaal zum Klingen. Das Repertoire reicht vom 17. bis zum 20. Jahrhundert und ist meist selbst bearbeitet

Von Klaus Mohr, Fürstenfeldbruck

Unter Musikern gibt es ein Bonmot: Was ist schlimmer als eine Blockflöte? Zwei Blockflöten! Nimmt man diesen Kalauer als Maßstab, dann hätte der Abend der Fürstenfelder Konzertreihe am Samstag im Stadtsaal mit dem Ensemble "Flautando Köln" eine Qual sein müssen. Vier Blockflötistinnen, nämlich Susanne Hochscheid, Katrin Krauß, Ursula Thelen und Kerstin de Witt musizierten im Verlauf des Abends auf mehr als zwei Dutzend verschiedenen Blockflöten - und das Publikum war begeistert. Unterstützt wurden sie vom Schlagwerker Torsten Müller.

Sicher war viel Neugier dabei, die verschiedenen Blockflöteninstrumente, die mal rund und mal eckig, mal gerade und mal abgewinkelt waren, kennenzulernen. Die Länge der Flöten reichte von etwas über zwanzig Zentimetern bis hin zu mehr als zwei Metern, was klanglich den Bereich von der Sopranino- bis zur Subgroßbassblockflöte abdeckte. Die Tatsache, dass der Bühnenrand in der Konzertpause von zahlreichen Interessenten belagert war und eine der Künstlerinnen mit Fragen geradezu überschüttet wurde, kann wohl als deutlichster Beweis für die Neugier gelten.

Klanglich und damit musikalisch gesehen hatten die Blockflöten die Wandlungsfähigkeit von Chamäleons, was für das Programm die Möglichkeit eröffnete, Musik vom 17. bis zum 20 Jahrhundert anzubieten, zumeist in eigenen Bearbeitungen. Drei "English Dances" von John Playford eröffneten den Abend. Gleichsam exemplarisch wurden hier verschiedene Möglichkeiten hörbar, zunächst ein improvisatorisch freier Verlauf auf beständigen Orgelpunkten. Im nächsten Stück gab es eine versonnene Melodie, die ganz weich und variabel in der Anblastechnik gestaltet war sowie harmonisch von zwei Partnerinnen unterfüttert wurde. Sehr lebhaft und quirlig geriet das dritte Stück und offenbarte so erstaunlich flinke Fingertechnik. Zwei Ausschnitte aus Werken Johann Sebastian Bachs folgten, und hier war es vor allem die Klangfarbe, die eine Veränderung zum Original brachte, wodurch eine Art pastoraler Klangcharakter entstand.

In fünf türkischen Volksliedmelodien spürten die Musiker einer Musik nach, die andere Grundfesten hat als die unsere. Ursula Thelen wechselte hier die Rolle und trat als Sängerin auf. Geschickt changierte sie zwischen unterschiedlichen Ausdrucks- und Stimmebenen. Im zweiten Lied, in dem ein Jüngling ein Mädchen beobachtet, entstand ein orientalischer Eindruck durch das melodische Spiel mit dem ausdrucksstarken Intervall der übermäßigen Sekunde. Die Flöten stießen den gleichen Ton wie kleine rhythmische Impulse immer wieder neu an und kreisten dann in immer wieder ähnlichen Tonfolgen um nur wenige Töne.

Eine akkordische Begleitung, die eine Art Moll-Aura schuf, gab es in einem anderen Lied zu hören. Auf dieser Basis entfaltete die Sängerin eine ganz sanfte sich erhebende, melancholische Melodielinie. Wie bei einem Feuerwerk, so gab es auch hier im letzten Stück, "Erinnerungen an Zirkus Renz" von Gustav Peter, eine beeindruckende Steigerung: Das absolut perfekte Zusammenspiel der vier Flötistinnen, das auf einer äußerst soliden Atemtechnik fußte, führte zu einer stupenden Präzision, die das klangliche Ideal dieser Drehorgelmusik sicher traf. Torsten Müller am Marimbaphon überhöhte dieses Fundament mit einer perkussiven Melodielinie. Steigerungen im Tempo schienen unbegrenzt möglich, und doch blieb der musikalische gegenüber dem technischen Aspekt stets bestimmend.

Vielleicht war die Wahl der Zugabe der Tatsache geschuldet, dass das Ensemble aus Köln kommt und gerade die Zeit des Karneval ist: Die theatralisch angereicherte Darbietung war in ihrem Kern nichts weiter als virtuoser Klamauk, der reich beklatscht wurde.

© SZ vom 25.01.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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