Fürstenfeldbruck:Von der Mutter in Minsk zurück gelassen

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Amtsgericht Fürstenfeldbruck verhängt Geldstrafe gegen 38-Jährige wegen Entziehung Minderjähriger

Von Marion Höflmair, Fürstenfeldbruck

Wer Kinder bekommen möchte, der sollte sich bewusst sein, dass er mindestens 18 Jahre lang die Verantwortung trägt und es auch oft Situationen gibt, in denen man als Elternteil auf etwas verzichten muss. Dass es Paare gibt, die definitiv zu wenig darüber nachgedacht haben, zeigt ein Fall, der nun vor dem Amtsgericht Fürstenfeldbruck verhandelt wurde. Die Mutter hatte ihre heute achtjährige Tochter ohne Einverständnis des Vaters für vier Monate nach Weißrussland gebracht. Deshalb saß die 38-Jährige nun wegen Entziehung Minderjähriger vor Gericht. Am Ende konnte der Richter sie überzeugen, ihren Einspruch gegen den Strafbefehl zu beschränken. Das bedeutet, dass sie ihre Schuld einräumt und die 900 Euro Geldbuße bezahlen muss.

Der Anklage zufolge hatte die aus Weißrussland stammende Angeklagte ihre 2009 geborene Tochter Ende November in ihre Heimat nach Minsk gebracht. Ende März hatte sie die Achtjährige zurück in den Landkreis geholt, wo auch der Kindsvater - getrennt von ihr - lebt und wo das Mädchen die Grundschule besucht. Da sie nicht das alleinige Sorgerecht für das Kind hat, musste sie sich nun wegen Entziehung Minderjähriger verantworten.

Zwei Wochen nach der Ausreise des Mädchens hatte in Fürstenfeldbruck vor dem Familiengericht eine Verhandlung wegen des alleinigen Sorgerechts für den Vater stattgefunden. "Die waren alle überrascht, dass das Kind schon weg ist", entnahm der Vorsitzende Richter Johann Steigmayer den Akten. "Ich habe ihm gesagt, dass ich ausreisen will", erklärte die 38-Jährige immer wieder auf die Frage des Richters, ob sie dem Kindsvater konkret mitgeteilt habe, wann und wie lange sie mit ihrem Kind in die Heimat reisen werde. Wie sich im Verlauf ihrer Aussage herausstellte, lebte ihre Tochter in Weißrussland ohne Eltern bei einer Verwandten der Mutter, nur die ersten zehn Tage war die 38-Jährige ebenfalls dort. Danach hielt sich die Angeklagte im Landkreis oder in Portugal auf, wo sie als Musikerin in einem Orchester arbeitete; aktuell ruht ihr Engagement allerdings. Früher war die Tochter oft mitgereist. Der Richter zitierte aus einer Akte, dass das Mädchen im ersten Schuljahr wechselweise in Deutschland und Portugal in die Schule gegangen war.

Der 54-jährige Kindsvater erfuhr erst Anfang Dezember, dass seine Tochter nicht mehr im Lande war. Damit sei er keineswegs einverstanden gewesen, unterstrich er vor Gericht. Deshalb habe er den Antrag auf alleinige elterliche Sorge gestellt, "weil das ja nicht das erste Mal war, dass das Kind einfach verschwindet". Das Verfahren vor dem Familiengericht endete mit dem Beschluss, das Mädchen unverzüglich an einer Grundschule im Landkreis anzumelden. Außerdem darf der Vater seine Tochter jedes zweite Wochenende sehen. Laut Steigmayer ruhen derzeit alle Verfahren zum Sorgerecht. Dass das Kind unter diesen Familienbedingungen leidet, zeigt seine Aussage im Sorgerechtsstreit: Sie vermisse immer das momentan nicht anwesende Elternteil, ihre Heimat sieht sie im Landkreis.

Der Vater sagte aus, dass er immer die Möglichkeit gehabt hatte, mit seiner Tochter zu skypen und dass er Mitte März in Minsk zu Besuch war. Da seine Aussage die Angeklagte nicht entlastete, riet der Richter ihr, den Einspruch auf die Strafhöhe zu beschränken. Schließlich nahm sie das Angebot an. Da sie kein Einkommen hat, setzte er die Strafe auf 90 Tagessätze zu je zehn Euro fest.

© SZ vom 19.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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