Fürstenfeldbruck:Verschwörungsmythen auf der Spur

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Über ein Seminar zur Antisemitismusprävention an der Fürstenfeldbrucker Fachoberschule

Von Johanna Haas, Fürstenfeldbruck

Antisemitismus, die Feindschaft gegenüber Juden. Eine der ältesten und hartnäckigsten Vorurteilskomplexe und stets aktuell. Doch es ist mehr als nur ein Vorurteil gegen Juden. Es sind antisemitistische Stereotype, die sich chamäleonartig der jeweiligen Zeit anpassen. In der extremsten Ausprägung entwickelt sich eine Weltanschauung, in der Juden eine Sündenbockfunktion einnehmen. Eine Gruppe, die verschwörungstheoretisch so aufgeladen wird, dass sie für jede Ungerechtigkeit auf der Welt verantwortlich gemacht wird.

"Ich hätte nicht gedacht, dass es Juden in Deutschland immer noch so schwer haben können", bemerkt der 19-jährige Deniz. Er, seine Mitschüler und die sechs anderen der 13. Klassen der Fürstenfeldbrucker Fachoberschule haben an einem ganztägigen Seminar zur Antisemitismusprävention teilgenommen. Um die Workshops abzuhalten, fällt zwar ein ganzer Unterrichtstag weg, aber das ist es Lehrer Richard Seidl wert. "Seit 2019 haben wir den Titel, Schule ohne Rassismus. Deswegen halte ich es für wichtig, dass sich die Schüler auch mit solchen Themen beschäftigen", so Seidl. "Und wir versuchen dieses schwierige Thema ja auch sehr interaktiv zu gestalten", ergänzt Felizitas Raith. Sie ist die Pädagogische Leiterin des Dachauer Max-Mannheimer-Studienzentrums und für die Seminare zuständig.

Der Einrichtung liegt vor allem dieses Projekt sehr am Herzen. Denn Gründer Max Mannheimer war ein Überlebender der Konzentrationslager Auschwitz und Dachau. Gemeinsam mit seiner Frau, seinen Eltern und Geschwistern wird er 1943 in das Konzentrationslager in Auschwitz deportiert. Mannheimers Frau, seine Eltern sowie drei seiner Geschwister werden dort ermordet - er selbst kommt nach anderthalb Jahren Internierung mit seinem jüngsten Bruder in das Konzentrationslager nach Dachau. Dann im April 1945 die Befreiung durch die US-Armee. Seit 1990 war er dann Präsident der Lagergemeinschaft Dachau, der 1998 gegründeten "Stiftung Jugendgästehaus Dachau". Weil er sich nahezu unermüdlich für die Bildungs- und Erinnerungsarbeit vor Ort engagierte, benannte die Einrichtung den pädagogischen Bereich dann in "Max Mannheimer Studienzentrum" um.

Und dieses ist auch für die Workshops zuständig. Es geht vor allem um den Antisemitismus im Kontext der Verschwörungsmythen. Dafür werfen die Schüler gleich zu Anfang einen Zettel mit ihrer liebsten Verschwörungstheorie in eine Box. Am Ende des Tages wird untersucht, ob diese Theorien einen antisemitischen Hintergrund haben. Davor stehen jedoch noch viele weitere Übungen auf dem Plan. Eine Aufgabe zu Ausgrenzungssituationen soll das Bewusstsein sowie die Empathie der Schüler stärken. Auch einige Gruppenarbeiten sind Teil des Workshops. Dabei untersuchen sie Quellen aus der Weimarer Zeit. Denn der historisch politische Ansatz sei bei Verschwörungstheorien besonders wichtig.

Als nächstes wird ein Musikvideo von Sido angesehen. "Der bringt da ungefähr jeden Antisemitismusspruch", erzählt Raith. Danach gibt es noch ein Spiel zu "Fake-News", also Falschmeldungen. Denn diese würden oft zu Verschwörungsmythen führen. Auch die Erfahrungen von Gegenwartszeugen spielen in den Seminaren eine große Rolle. "Ich finde es wirklich krass, dass es für Juden immer noch echt gefährlich sein kann. Es kann auch zu Angriffen kommen, das haben wir ja heute im Video gesehen", erklärt die 19-Jährige Carolin.

Um das Projekt und die Entwicklung der Schüler optimal evaluieren zu können, begleitet die Bielefelder Universität diesen Prozess wissenschaftlich. Dafür müssen die Schüler vor dem Projekt, kurz danach und einen Monat später einige Fragebögen ausfüllen. Auf diesen wird abgefragt, wo sie Wissen erlangt haben, ob ihre Empathie gestiegen ist und welche Handlungsoptionen sie in Zukunft haben.

© SZ vom 28.12.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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