Fürstenfeldbruck:Verschuldung nimmt zu

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Foto: dpa (Foto: N/A)

Bei den Beratungsstellen der Caritas in Fürstenfeldbruck und Germering haben 2015 deutlich mehr Menschen Hilfe gesucht als im Jahr zuvor. Am wichtigsten ist, dass den Schuldnern ein Dach über dem Kopf bleibt

Von Peter Bierl, Fürstenfeldbruck

Das Paar hat sich getrennt. Die Frau bleibt mit drei Kindern in der gemeinsamen Wohnung zurück. Das jüngste Kind ist erst sechs Monate alt, die Mutter ist nicht berufstätig und bekommt Arbeitslosengeld II. Es reicht kaum zum Leben, zumal allein die Miete 860 Euro beträgt. Die Familie hat schon Schulden angehäuft, aber nicht sehr viele. "Das ist abzahlbar", schätzt Christiane Göttner, Leiterin der Caritas-Schuldnerberatung in Bruck. Gravierender könnte das Wohnungsproblem werden. Das Jobcenter möchte, dass die Familie in eine billigere Bleibe zieht, erzählt Göttner. Eine solche dürfte im Landkreis schwer zu finden sein.

Die vierköpfige Familie in einem Ort im westlichen Landkreis gehört zu den mehr als 13 200 Menschen im Landkreis, die nach einer Statistik von Creditreform verschuldet sind. Das Wirtschaftsunternehmen hat einen bundesweiten Schuldenatlas erarbeitet. Die Schuldnerquote in Deutschland lag demnach 2015 knapp unter zehn Prozent, Tendenz zunehmend. Im Landkreis Fürstenfeldbruck haben nach dieser Statistik 6,28 Prozent der Bewohner ihr Konto überzogen, ein leichter Anstieg gegenüber dem Vorjahr. Bundesweit liegt Fürstenfeldbruck auf Platz 46, knapp hinter den Nachbarlandkreisen Dachau, Landsberg und Starnberg. Das Schlusslicht bildet Bremerhaven mit über 20 Prozent Schuldnern.

Allerdings leidet die Hafenstadt unter hoher Erwerbslosigkeit, während im Raum München die Wirtschaft brummt. "Die Zahl bleibt auf hohem Niveau trotz guter Konjunktur", sagt Klaus Winter, Leiter des Sozialamtes der Stadt Puchheim, über die Lage vor Ort. Wichtig sei, dass die Menschen ein Dach über dem Kopf behalten. Die Mitarbeiter des Rathauses sprechen mit Hauseigentümern und Versorgungsunternehmen, damit Mietrückstände abgestottert werden können und der Strom nicht abgeklemmt wird. Sie kümmern sich darum, dass die Betroffenen von Behörden, Jobcenter, Stiftungen oder dem SZ-Adventskalender finanzielle Unterstützung bekommen.

Direkte Hilfe bietet die Caritas-Schuldnerberatung, die mit zwei Büros in Bruck und Germering vertreten ist. 739 Menschen suchten 2014 eine persönliche Beratung auf, 784 waren es bis Ende 2015. Rechnet man Altfälle dazu sowie Menschen, die sich per Telefon oder online melden, dies auch anonym tun, liegt die Gesamtzahl bei 897 Fällen, sagt die Leiterin. Die meisten kommen aus Bruck, Germering, Puchheim und Olching.

Göttner hat allerlei Zahlen über die Ursachen sowie den Status der Betroffenen parat. Die größte Gruppe stellen Menschen, die sich irgendwann selbständig gemacht haben, scheiterten und seitdem auf einem Schuldenberg sitzen. Etwa 14 Prozent ihrer Klienten sind vormalige Unternehmer. Die zweithäufigste Ursache ist Erwerbslosigkeit (rund zwölf Prozent), gefolgt von Trennung (zehn Prozent) und Krankheit (neun Prozent). Meist handelt es sich jedoch um ein Bündel von Ursachen. "Die Leute machen eine größere Anschaffung, Möbel, eine Küche, ein Auto, werden dann arbeitslos und können die Raten nicht mehr bezahlen. Dazu kommen dann Kosten für Inkasso oder Anwälte", erzählt Göttner.

Etwa zehn Prozent der Betroffenen können nicht richtig haushalten. Allerdings werde es den Leuten leicht gemacht, findet Göttner. Wer keinen Eintrag bei der Schufa habe, kriege einfach alles, auf Kreditkarte, online oder per Leasing-Vertrag. Neue Möbel würden oft über Partnerbanken finanziert, dazu gibt es eine Kreditkarte zum Kauf, für die oft eine Versicherung fällig werde. "Verschuldung ist längst ein Wirtschaftsmotor", stellt die Caritas-Expertin fest.

In schweren Fällen drohen Insolvenz, Pfändung, Zwangsvollstreckung oder Zwangsräumung. Viele ignorieren das Problem erst einmal. Göttner kennt Selbständige, die schon vor 15 Jahren in den Ruin stürzten und jetzt erst zur Beratung kommen. "Die Leute schließen die Augen davor und öffnen keine Briefe mehr. Das ist eine Phase, um sich selbst zu schützen", sagt die Sozialpädagogin. Die Caritas-Mitarbeiter helfen den Klienten, erst einmal eine Übersicht über ihre finanzielle Lage zu bekommen, vermitteln bei Banken und anderen Gläubigern, etwa um Ratenzahlungen zu erreichen. In knapp 120 Fällen wurde 2014 ein privates Insolvenzverfahren abgewickelt. Ehrenamtliche unterstützen Betroffene bei der Haushaltsführung.

Was die Altersverteilung betrifft, so sind unter den Caritas-Klienten alle Jahrgänge vertreten, allerdings sieht Göttner, die seit 27 Jahren in diesem Bereich arbeitet, einen Trend, dass die Schuldner immer älter werden. Die größte Gruppe stellen derzeit die 40 bis 49-Jährigen mit über 26 Prozent. Betroffen seien längst nicht nur alleinerziehende Frauen, sagt Klaus Winter. Es trifft Familien aus der Mittel- und Unterschicht, sobald jemand seinen Job verliert, wegen Krankheit ausfällt oder sich ein Paar trennt.

Fast die Hälfte aller Schuldner ist erwerbstätig. Göttner sieht einen Zusammenhang zwischen niedrigem Einkommen und hohen Lebenshaltungskosten, vor allem Mieten. "Der Mindestlohn ist eine Verbesserung, aber nur für Singles. Für Familien ist es bei der Wohnungsnot schwierig, das geht oft nicht ohne staatliche Zuschüsse."

© SZ vom 25.01.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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