Fürstenfeldbruck:Vernetzte Baupolitik

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Wo neue Wohnungen wie hier in Germering an der Steinbergstraße entstehen, soll in Zukunft auch vermehrt das Augenmerk darauf gelegt werden, dass in der Nähe genügend Arbeitsplätze geschaffen werden. (Foto: Carmen Voxbrunner)

Eine sogenannte Struktur- und Potenzialanalyse soll aufzeigen, wo sich der dicht besiedelte Landkreis noch wie entwickeln kann. Ziel ist die Einheit von Arbeit und Wohnen

Von Gerhard Eisenkolb, Fürstenfeldbruck

Weisen Kommunen neue Gewerbe- oder Wohngebiete aus, geht nicht nur Natur unwiederbringlich verloren. Solche Entscheidungen haben immer auch Auswirkungen auf das Miteinander mit den Nachbargemeinden, das Verkehrsaufkommen und die Lebensqualität im Landkreis - und auch in den zu den Hauptverkehrszeiten sowieso überfüllten S-Bahnen kann es in der Folge noch enger werden. Treffen Kommunalpolitiker künftig solche weitreichenden Entscheidungen, sollen sie auf ein Entwicklungskonzept zurückgreifen können, das solche Wechselwirkungen berücksichtigt und aufzeigt, wo neue Wohn- und Gewerbegebiete sinnvoll sind und wo nicht.

Seit einigen Wochen wird an einer Struktur- und Potenzialanalyse für den Landkreis gearbeitet, die auf der Grundlage des vor zwei Jahren beschlossenen Leitbilds aufzeigen soll, wo sich der dicht besiedelte Landkreis noch wie entwickeln kann. Landrat Thomas Karmasin (CSU) und der Emmeringer Bürgermeister Michael Schanderl (FW), der Kreisvorsitzende des Gemeindetags, haben am Montag zusammen mit Marc Hofmann von der Bürogemeinschaft 03 Architekten GmbH das von der Regierung von Oberbayern geförderte Modellprojekt vorgestellt.

Welche konkreten Planungsvorgaben die beteiligten Städte-, Landschafts- und Verkehrsplaner machen werden, das ist noch offen. Im Moment sind die Region und der Landkreis vor allem noch nach München ausgerichtet, im Münchner Westen wird gewohnt, in der Landeshauptstadt gearbeitet. Dieses Verhältnis bilden auch die ganz auf München ausgerichteten Verkehrsbeziehungen ab. Die Einheit von Arbeit und Wohnen könnte Laut Landrat Karmasin ein Aspekt sein, die alten Denk- und Planungsmuster aufzugeben.

Was er damit konkret meint, erläuterte der Landkreischef am Beispiel der Überplanungen zur Nutzung des rund 200 Hektar großen Fliegerhorstareals in Fürstenfeldbruck. Obwohl dort eigentlich Platz für mehrere Zehntausend Neubürger wäre, soll in der Kaserne nach dem Abzug der Luftwaffe das Ideal von wohnortnahen Arbeitsplätzen verwirklicht werden. Nach den bisherigen Überlegungen ist dort vorgesehen, 5000 neue Arbeitsplätze zu schaffen und Wohnungen für 5000 Menschen zu bauen. Wer keine S-Bahn oder Autobahn braucht, um zu seinem Arbeitsplatz zu gelangen, entlastet letztlich Straßen und den Personennahverkehr.

Kann der Landkreis im Fliegerhorst preisgünstige Baugrundstücke erwerben, hält es Karmasin für realistisch, dort zusammen mit einem sozial ausgerichteten Bauträger oder einer Wohnungsbaugenossenschaft Bedienstetenwohnungen für Landratsamtsmitarbeiter zu errichten. Karmasin würde sich sogar wünschen, dass sich auch andere Kommunen an einem solchen Projekt beteiligen. Die für die Kaserne angestrebte Einheit von Arbeit und Wohnen gilt zudem als wichtiges Argument, die restriktive Ausweisung von Bauland im Landkreis etwas aufzubrechen.

Als bestechendes Element der Struktur- und Potenzialanalyse wird hervorgehoben, dass sie ein Gemeinschaftsprojekt des Landkreises mit vier Städten und elf Gemeinden ist. Also ein interkommunales Projekt, das eine intensivere Abstimmung, ein Mehr an gegenseitiger Rücksichtnahme und neue Gemeinschaftsprojekte der Kommunen wie beispielsweise interkommunale Gewerbegebiete nach sich ziehen soll. Bürgermeister Schanderl erwartet sich zudem ganz konkrete Vorgaben, an denen sich die Gemeinden orientieren können. Und zwar nicht nur für Wohn- und Gewerbegebiete, sondern auch für Umweltbelange und für Freizeiteinrichtungen. Schanderl rechnet zudem mit Antworten auf Fragen wie die: Wie viel können wir wachsen und wo muss man der Natur zu ihrem Recht verhelfen? Die Antworten sollen eine Richtschnur auf zwei Ebenen bieten: im Kleinen für jeden Gemeinde, im Großen für den Landkreis insgesamt.

Der Kreisvorsitzende des Gemeindetags hofft zudem, dass sich die acht Kommunen, die noch nicht mitmachen, noch einen Ruck geben. Neben der Mitarbeit der Gemeinden ist für den Bürgermeister die Einbindung der Öffentlichkeit ein weiteres, zentrales Element der 213 000 Euro teuren Studie. 60 Prozent der Kosten schießt der Freistaat zu, die restlichen 107 000 Euro teilen sich Kommunen und Landkreis je zur Hälfte.

© SZ vom 21.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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