Fürstenfeldbruck:Ungewohnter Perspektivwechsel

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Georg Schmidtner, Leiter der Abteilung Stadt- und Landpastorat (v. l.), Johannes Sporrer und Albert Bauernfeind besichtigen die Ausstellung. (Foto: Carmen Voxbrunner)

Die Kirche Sankt Bernhard widmet sich dem Thema Barmherzigkeit und zeigt in einer schlichten, aber bemerkenswerten Ausstellung auf, wie es im Alltag umgesetzt wird

Von Julia Kiemer, Fürstenfeldbruck

Barmherzigkeit. Ein Wort, das im heutigen Sprachgebrauch kaum noch auftaucht. Wozu braucht man sie und was bringt sie überhaupt? Die Barmherzigkeit habe heutzutage einen schweren Stand, sagt Johannes Sporrer, Pastoralreferent im Pfarrverband Fürstenfeld. Besonders auch angesichts der jüngsten Ereignisse forderten die Menschen eine klare Linie und Härte, Barmherzigkeit werde da oft als etwas weich gespültes abgetan. "Vielleicht tun es die Menschen zu schnell ab. Barmherzigkeit ist eine wirkliche Charaktereigenschaft, die sich nicht wegdiskutieren lässt", so Sporrer. Die Barmherzigkeit in den Alltag zurück zu holen, in die Mitte der Menschen, das ist das Thema der Wanderausstellung "Tragweite - wohin die Barmherzigkeit führt", die von 22. März bis 17. April in der Kirche Sankt Bernhard zu sehen ist.

Zum heiligen Jahr der Barmherzigkeit, das Papst Franziskus im Dezember eröffnet hat, haben die Fachbereiche Stadt- und Landpastoral im Erzbischöflichen Ordinariat zusammen mit dem Kölner Künstler Marcel Schmidt und dem "Studio Komplementær" den interaktiven Themenraum entwickelt, der noch bis November an verschiedenen Orten Station macht. "Wir wollen die Menschen wieder damit in Verbindung bringen und für das Thema sensibilisieren", erklärt Georg Schmidtner, Leiter der Abteilung Stadt- und Landpastoral, bei der Eröffnung der Ausstellung. Man habe deshalb einen interaktiven Themenraum entwickelt, in dem sich die Menschen der Thematik annähern können.

Im Mittelpunkt der schlichten Wanderausstellung steht inhaltlich das Gleichnis des barmherzigen Samariters, welcher einem ausgeraubten Mann seine Hilfe anbietet und ihn pflegt, während zwei andere Männer, ein Priester und ein Levit, an dem Ausgeraubten vorbei gehen. "Für Gott bedeutet Barmherzigkeit Leben zu ermöglichen und ein Mindestmaß an Menschlichkeit zu zeigen", so Sporrer. Genau das zeige das Gleichnis. In der Ausstellung geht es jedoch vordergründig nicht um den barmherzigen Helfer, sondern um diejenige Person, die die Barmherzigkeit erfährt. Ein ungewohnter Perspektivwechsel, der die Besucher einlädt, sich an den verschiedenen Stationen bewusst zu machen, was Barmherzigkeit im Alltag bedeutet und welche Erfahrungen sie damit bereits gemacht haben. An einer Station findet man dazu Sätze, die im Alltag symbolisch Barmherzigkeit ausdrücken. "Ich wurde getröstet" oder "Ich wurde gepflegt" steht dort. Wer sich damit identifiziert oder die Situation im Alltag schon einmal erlebt hat, kann eine magnetische Filzkugel aus dem Behälter nehmen und sie an die magnetische Wand, auf der auch das Gleichnis des barmherzigen Samariters geschrieben steht, befestigen. So entstehe eine Spur der Barmherzigkeit, mit der die Menschen außergewöhnliche aber auch alltägliche Geschichten verbinden und sichtbar machen, sagt Schmidtner. Die Bank vor der Wand lädt ein, die Spur zu verfolgen, eigene Erfahrungen und die Tragweite der Barmherzigkeit nachzuspüren. Auf einem Tisch liegen Pappkarten zum Mitnehmen, die im Bezug zur Bibelstelle stehen. Geschrieben steht auf ihnen etwa "Unverhältnismäßig Barmherzigkeit üben" oder "Ohne Bequemlichkeit Barmherzigkeit üben". So wolle man die Barmherzigkeit wieder in die Mitte tragen und die Menschen täglich an sie erinnern, so Schmidtner. Man könne die Tragweite der Barmherzigkeit im Alltag oft spüren, wenn man sich dafür öffne. Gemerkt habe man das etwa, als die erste Welle an Flüchtlingen ankam und so viele Menschen ihre Hilfe anboten.

An einer anderen Station liegt ein Buch, in dem die Besucher ihre eigenen Erfahrungen mit dem Thema nieder schreiben können. Was dort stehe, sei das Evangelium von heute, so Dekan Albert Bauernfeind. Es seien Geschichten, die erzählen, wie die Menschen Gott erleben oder eben nicht erleben: "Barmherzigkeit ist für Gott essenziell, es ist die Verbindung mit uns Menschen aber auch zwischen den Menschen."

© SZ vom 24.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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