Fürstenfeldbruck:Unfreiwillige Schleuserin

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Amtsgericht stellt Verfahren gegen 46-jährige Ungarin ein

Von Ariane Lindenbach, Fürstenfeldbruck

Gerade hat die Bundesregierung beschlossen, die Strafen gegen Schleuser zu verschärfen. Das ist als Ansatz gedacht, um deren kriminelle Machenschaften einzudämmen. Doch wie schnell man unfreiwillig zum illegalen Schleuser werden kann, zeigen die Erlebnisse einer 46-jährigen Ungarin, die seit sechs Jahren im Landkreis lebt. Als sie im März ihre frühere Heimat besuchte, nahm sie auf der Hin- und Rückfahrt über die Mitfahrerzentrale Leute mit. Da die drei fremden Fahrgäste, die sie von Budapest nach München bringen sollte, aus Syrien stammten und für Deutschland keinen Aufenthaltstitel besaßen, saß die Frau nun wegen des illegalen Einschleusens von Ausländern auf der Anklagebank des Amtsgerichts. Richter und Staatsanwaltschaft erkannten allerdings rasch die Geringfügigkeit des Vergehens und stellten das Verfahren ohne Auflagen ein.

Am Nachmittag des 30. März wurde die Angeklagte bei ihrer Rückreise aus Budapest über Österreich nach Deutschland von Beamten der Bundespolizei auf der A 8 bei Piding gestoppt. Wegen ihrer drei aus Syrien stammenden Fahrgästen war die im Landkreis lebende 46-Jährige nun vor dem Amtsrichter gelandet. Dort berichtete sie am Dienstagvormittag von ihrer Fahrt in die Heimat, die sie bereits Mitte März angetreten hatte. Auch auf der Hinfahrt habe sie insgesamt vier Personen, darunter eine Chinesin, die bis nach Salzburg wollte, mitgenommen. Ihre Rückfahrt habe sie erneut über das Internetportal angeboten. Ihrer Schilderung zufolge meldete sich zwei Tage vor der Abreise ein gewisser Philipp bei ihr, mit dem sie auf Englisch per SMS kommunizierte und der ihr drei Mitfahrer ankündigte. Zum vereinbarten Termin kamen diese an den Treffpunkt. "Sie waren ganz normale Fahrgäste", beteuerte die 46-Jährige. "Es war ein ganz üblicher Vorgang", ergänzte ihr Anwalt. Und erklärte dem Richter, dass er jenen Philipp über das österreichische Mitfahrerportal ausfindig gemacht habe.

Richter Johann Steigmayer schien die Geschichte der Angeklagten zu glauben und spann die Problematik in Gedanken bereits weiter. "Wie ist das jetzt mit Busfahrern", fragte er in den Sitzungssaal hinein. "Angenommen wir haben eine staatlich organisierte Busfahrt", wie würde das juristisch bewertet, wenn darunter ebenfalls illegal Flüchtlinge nach Deutschland einreisen würden. Die Staatsanwältin erwiderte, dass auch in so einer Situation der Status der Asylsuchenden erst geprüft würde, wenn diese bereits in Deutschland eingereist seien.

"Kein Mensch kommt auf den Gedanken, den Busfahrer oder Lokführer anzuklagen", sagte der Vorsitzende, der selbst Klage gegen die 46-Jährige erhoben hatte. "Der Unrechtsgehalt ist relativ niedrig", sagte die Staatsanwältin und regte an, das Verfahren einzustellen. "Schon allein das Bewusstsein, dass es sich um Flüchtlinge handelte, fehlte. Damals sind noch nicht solche Flüchtlingsströme gekommen", ergänzte der Verteidiger. Ohne viele Worte verständigten sich die Verfahrensbeteiligten auf eine Einstellung. In Anbetracht der Entwicklung der letzten Monate prophezeite der Richter: "Das Problem wird immer wieder kommen."

© SZ vom 01.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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