Fürstenfeldbruck:Theatralische Dramatik

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Musikalische Verschmelzung: Bach-Chor, Bach-Orchester und Solisten bei der Aufführung der Johannes-Passion im Brucker Stadtsaal. (Foto: Günther Reger)

Eindringliche Johannes-Passion im Brucker Stadtsaal

Von KLAUS MOHR, Fürstenfeldbruck

Wer am Karfreitag eine Aufführung der Johannes-Passion von Johann Sebastian Bach besucht, gehört sicher auch zum Publikum des Weihnachtsoratoriums zur entsprechenden Jahreszeit. Auch wenn Vieles parallel zu sein scheint zwischen beiden Werken, gibt es doch einen entscheidenden Unterschied: Die Vertonung der Geschehnisse um die Geburt eines Kindes müssen sich radikal unterscheiden von der Kreuzigung eines Menschen. Der Prüfstein einer Interpretation der Johannes-Passion also muss sein, wie eindringlich es gelingt, das Dramatische und Existenzielle dieses Evangelienberichts für die Zuhörer erfahrbar zu machen. Bach-Chor und Bach-Orchester Fürstenfeldbruck brachten am Karfreitag nach drei Jahren wieder Bachs Johannes-Passion im Stadtsaal zur Aufführung. Unter der Leitung von Gerd Guglhör waren zudem die Vokalsolisten Benedikt Eder (Bariton, Jesus), Diana Fischer (Sopran), Dina König (Alt), Robert Sellier (Tenor) und Giulio Alvise Caselli (Bariton) zu hören.

Gerd Guglhör hat seine Sichtweise auf das Werk noch weiter differenziert und geschärft: Auf der einen Seite stehen straffe Tempi, eine manchmal fast schneidend scharfe Deklamation des Textes und eine Steigerung der Affekte bis an die Grenzen. Durch die hervorragende technische Bewältigung in Chor und Orchester kann die Sphäre des Theatralischen dadurch beeindruckend exponiert und aus der Aura einer bequemen Konzertsaalatmosphäre herausgehoben werden. Dem stehen die Solisten gegenüber, die, bis auf Robert Sellier, alle erstmals hier zu hören sind. Sie eint ein Kennzeichen musikalischer Gestaltung, das im Kontext der Aufführung programmatisch wird: Sie sind alle technisch auch in den Koloraturen souverän, interpretieren aber sehr lyrisch und sind auf veritable Bögen bedacht. Dadurch werden Einzelpersonen charakterisiert, die der Dramatik in vielen Passagen ihre Humanität als Kontrast entgegensetzen. Im Sinne des von Bach verfolgten Ziels einer musikalischen Predigt wird das Leid nicht nur aus dem Blickwinkel der österlichen Botschaft von der Auferstehung beleuchtet, sondern auch die Rettung des Menschen durch einen Menschen musikalisch verkörpert.

Der Eingangschor "Herr, unser Herrscher" hatte bereits eine beständig pulsierende Unruhe, die geradezu aufrüttelnd anmutete. In der dichten Aufeinanderfolge der Nummern um die Frage, welcher Verbrecher von Pilatus freigelassen werden soll, entfaltete sich eine stringente Spannungsverdichtung, die in den klangvoll-harten Rufen des Volkes nach der Begnadigung des Barabas gipfelte. Das folgende Bass-Arioso "Betrachte, meine Seel" hatte dagegen zarten Schmelz in der Stimme von Giulio Alvise Caselli und eine wie gehaucht wirkende Begleitung einzelner Streicher und der solistisch hervorgehobenen Laute. Flöten und Oboen verstärkten an vielen Stellen nicht nur den differenziert artikulierten Streicherklang, sondern traten auch in überzeugende Zwiesprache mit den Sängern. Große Zuversicht strahlte der Schlusschor "Ruht wohl" aus, der dem noch geschmeidigeren Choral "Ach Herr, lass dein lieb Engelein" vorausging.

Das Continuo mit Orgel (Peter Kofler), Laute (Christoph Eglhuber) und Violoncello (Michael Rupprecht) verstand sich als eine Art symbiotische Einheit, die mit den Gesten des Dirigenten musikalisch verschmolz. Dadurch war in jeder Situation ein sicherer Grund vorhanden. Großer Beifall brandete am Ende für alle Beteiligten auf.

© SZ vom 07.04.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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