Fürstenfeldbruck:Taschengeld doppelt kassiert

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Asylbewerber in der Erstaufnahmeeinrichtung in Fürstenfeldbruck benutzen bei der Geldausgabe mehrere Identitätsnachweise. Die Kriminalpolizei ermittelt in bisher 27 Fällen

Von Erich C. Setzwein, Fürstenfeldbruck

Sie haben Tausende Kilometer Flucht hinter sich, sie wollen in Deutschland endlich ihre Ruhe finden und sich eine neue Heimat aufbauen - so sieht das Bild aus, das von den allermeisten Asylbewerbern gezeichnet wird. Doch es gibt ganz offensichtlich auch solche, die die kleinen Wohltaten des Gastlandes schamlos ausnutzen. Sich in der Schlange bei der Taschengeldausgabe zweimal anzustellen und dann auch zweimal zu kassieren, scheint nicht unüblich. Allein in Fürstenfeldbruck geht die Polizei 27 Fällen nach, in denen Asylbewerber betrogen haben sollen, indem sie unter Vorlage auch falscher Papiere mehrmals und unberechtigt Geld bekamen. Wie sich die Fälle für die Ermittler darstellen, wurden organisatorischer Fehler in der deutschen Verwaltung ausgenutzt. Welchen Schaden dieser Sozialbetrug hat, können die zuständigen Behörden nicht sagen.

Nachdem die Fälle in Fürstenfeldbruck durch einen Bericht vom Münchner Merkur öffentlich gemacht worden waren, versuchen die für die Erstaufnahme zuständige Regierung von Oberbayern und das Landratsamt Fürstenfeldbruck durch ein neues Verfahren Mehrfachauszahlungen zu verhindern. Vor allem in den vergangenen acht Wochen habe die Zahl der Betrügereien zugenommen, sagte Landratsamtssprecherin Ines Roellecke.

Die Fälle, in denen die Kripo in Fürstenfeldbruck Ermittlungen aufgenommen hat, sind nach Angaben von Hans Peter Kammerer vom Polizeipräsidium Oberbayern Nord in Ingolstadt seit Anfang 2015 bekannt geworden. In ganz Oberbayern seien es 60 gewesen, sagte Kammerer, davon allein 27 in der Münchner Filiale der Erstaufnahmeeinrichtung im Fliegerhorst Fürstenfeldbruck. Dort wird nicht von Mitarbeitern der Regierung von Oberbayern das Taschengeld ausgezahlt, sondern diese Aufgabe wird von Mitarbeitern des Landratsamtes Fürstenfeldbruck erledigt. Immer mittwochs wird das Bargeld an die Berechtigten im Fliegerhorst ausgegeben. Die Summen sind unterschiedlich, der Taschengeld-Höchstsatz liegt nach den Worten von Roellecke derzeit bei höchstens 138 Euro im Monat.

Um welche Summen der Staat nun betrogen worden ist, kann die Polizei noch nicht sagen. Die Regierung von Oberbayern teilte mit, dass die Fälle nicht statistisch erfasst worden seien. "In einigen Fällen gibt es eine Anzeige gegen Unbekannt", sagte Polizeisprecher Kammerer. Allerdings seien keine neuen Fälle dazugekommen. Auch sei die Vorgehensweise nicht immer gleich. "Sie haben die Situation ausgenutzt", fasst der Pressesprecher des Polizeipräsidiums zusammen.

Diese "Situation" ist offensichtlich entstanden, weil bei den Betrügereien die Hausausweise für die Erstaufnahmeeinrichtung benutzt worden sind. Die wegen ihrer Farbe auch Yellow Card genannten Dokumente werden Asylbewerbern bei ihrer Aufnahme in München ausgestellt. Auf ihnen sind Foto und persönliche Daten enthalten, und auch der Termin für die Beantragung des Asylverfahrens beim zuständigen Bundesamt wird dort eingetragen.

Legt nun ein Bewohner der Erstaufnahme bei der Auszahlung von Taschengeld im Fliegerhorst diesen Ausweis vor, so werde "die Zuordnung von Personen zu den Dokumenten" geprüft, sagt Landratsamtssprecherin Ines Roellecke. Also der Abgleich mit den Belegungsdaten, die die Kreisbehörde von der Regierung bekomme. Derzeit sind im Fliegerhorst etwa 1200 Menschen untergebracht. Die Verweildauer beträgt nach Regierungsangaben sechs Monate.

Wie leicht Asylbewerber, die es darauf anlegen, mehrmals an Taschengeld kommen, ist den Behörden seit mindestens Anfang Ende 2014 bekannt. Die Regierung nahm die ersten Doppelzahlungen in der Erstaufnahme in Eichstätt wahr. Zum Teil benutzte ein Täter mehrere Identitätsnachweise, mit denen er "in den elektronischen System des Freistaates Bayern und zum Teil auch anderer Bundesländer registriert war". So kann es, wie die Regierung bestätigt, auch dazu gekommen sein, dass ein einzelner Asylbewerber mehrere Hausausweise bekommen hat und damit auch jeweils Geld empfangen hat.

Mit der Einführung des sogenannten Ankunftsnachweises im Mai dieses Jahres soll diese Schwachstelle nun beseitigt werden. Nur wer diesen Nachweis - oder das Dokument für die Aufenthaltsgestattung zusammen mit dem Hausausweis an der Kasse vorlegen kann, der wird nach Überprüfung der Belegungsliste auch sein Taschengeld bekommen.

© SZ vom 08.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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