Fürstenfeldbruck:Tanzende Henker und leuchtende Mini-Monster

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Kurz vor Halloween lassen die Fürstenfeldbrucker Stadtführer im Kloster Fürstenfeld Gespenster aufleben. Die einmalige Veranstaltung lehrt Teilnehmern das Gruseln. Bei dem schaurigen Erlebnis wird auch noch Ortsgeschichte vermittelt

Von Sonja Pawlowa, Fürstenfeldbruck

Kurz vor dem großen Gruselfest Halloween spukte es gehörig in Fürstenfeld. Gespenster, Geister, Kinder und Mönche gaben sich bei der jährlichen Gespensterführung am Freitagabend im Oktober die Ehre. Leuchtende Mini-Monster schwirrten wie Fledermäuse durch Torwege. Tanzende Henker und Ordensleute verteilten giftig-grün schimmerndes Gebräu in Reagenzgläsern. Schauer und Frösteln wegen der hereinbrechenden Nacht waren am Ende vergessen.

Normalerweise folgt bei einer Stadtführung eine Schar Wissensdurstiger einem vortragenden Kundigen. Die Gespensterführung hingegen ist ein Erlebnis, das eher als mobiles Mitmachtheater zu bezeichnen ist. Jährlich gibt es nur zwei Vorstellungen an einem einzigen Abend. Kein Wunder, dass auch in diesem Jahr die 80 Plätze restlos ausgebucht waren.

Die federführenden Stadtführerinnen Sabine Milmer-Kaufmann und Bettina Lampart-Heinemann bieten die Gespensterführung bereits seit 2016 an. Das Improvisationstheater des Graf-Rasso-Gymnasiums unter der Leitung von Katrin Marzin lässt bei den Szenen aus der Geschichte des Klosters so eindringlich den Eindruck einer Zeitreise aufkommen, dass die Wissensvermittlung allenfalls als Begleiterscheinung wahrgenommen wird.

Kinder und Eltern sind gleichermaßen begeistert von dem Konzept Live-Theater an Originalschauplätzen. (Foto: Günther Reger)

Tatsächlich sind Kinder und Eltern gleichermaßen begeistert von dem Konzept Live-Theater an Originalschauplätzen. Ein bisschen Grusel und viel Erschrecken verleiht der kleinen Nachtwanderung durch das Kloster Fürstenfeld einen zusätzlichen Charme.

Die Puchheimer Familien Uhle und Piroutek beispielsweise hatten durch einen Flyer in der Klosterkirche von der Gespensterführung erfahren und sich mit ihren vier Kindern frühzeitig angemeldet. Bezahlt wurde am selbstgebastelten Kassenstand, einer Pappschachtel im Gruseldekor, die vor dem Kirchenportal aufgestellt war. Als Eintrittskarten dienten Neon-Armbänder, bei Nacht eine praktische Lösung. Nach einer Einweisung, wie Gespenster und Geister zu behandeln sind - "Nicht schubsen, zwicken oder festhalten" -, und der Aufgabenverteilung an die Kinder wie etwa "Taschenlampen-Beleuchter" oder "Psst-Leise-Macher" konnte es endlich losgehen. Begleitet wurde die Gruppe vom modernen Gespenst Martin, das mit Smartphone und frechen Sprüchen eine Brücke in die Jetzt-Zeit schlug und den Kleinsten ein wenig die Angst nahm.

Selbst den Eltern bleibt das Herz stehen, als sie ohne Vorwarnung von kreischenden Mini-Gespenstern aufgehalten werden. (Foto: Günther Reger)

Dialoge in historischen Kostümen vor der imposanten Barockfassade zwischen dem Baumeister Viscardi und dem Abt Helm oder zwischen zwei toten Mönchen am alten Friedhof erzählten vom Leben, Arbeiten und Essen anno dazumal. Jahrelang in Schönschrift Bücher abschreiben oder immerzu Fisch essen, das kann Kinder auch heute noch schrecken. Doch auch den Eltern blieb kurz das Herz stehen, als sie ohne Vorwarnung von kreischenden Mini-Gespenstern in der halligen Tordurchfahrt umzingelt wurden. Basics über Heilpflanzen und barocke Lustgärten vermittelte die kurze Szene am Brunnen. Der kurze Fußmarsch zur Klostermauer führte zugleich zu einem Höhepunkt in mehrfacher Hinsicht. Das brutale Mittelalter stellten die Schüler des Impro-Theaters samt Köpfung der Maria von Brabant, dem Grund für die Klostergründung, in Form einer Theaterprobe dar. Mit viel Witz und schauspielerischem Talent führten sie das Publikum in eine ferne Welt, in der Henkersleute und die Macht von Papst und Adel noch eine ungebrochene Rolle spielten.

Dass heutzutage weder Kinder noch ihre Eltern wissen, aus wie vielen Perlen ein Rosenkranz besteht, und dass es sich nicht um Halsschmuck handelt, ist nicht weiter verwunderlich. Auch den Beruf des Lebzelters dürfte bis zur Biergarten-Spielszene keiner gekannt haben. Und wie reglementiert der Klosteralltag war, zeigte sich bei der Mönchsversammlung am Waaghäusl, bei der beispielsweise die Einheitsfrisur zur Debatte stand. Stimmung ganz erfrischender Art machte wieder mal Martin, das moderne Gespenst, mit seiner Musik-Beschallung. Die Mönche, Henker und Edelleute tanzten mit den Kindern zu "Hit the road, Jack" und überreichten auch noch einen Gifttrank als Abschlussgeschenk: Reagenzgläser mit grünem Mangosaft zum Mitnehmen.

© SZ vom 30.10.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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