Fürstenfeldbruck:Talente im Minutentakt

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Beim Preisträgerkonzert "Jugend musiziert" überzeugen die Nachwuchsmusiker mit ihrem großen Können

Von Anna Landefeld-Haamann, Fürstenfeldbruck

Wer bei "Jugend musiziert" immer nur an Klassik denkt, lag zumindest in diesem Jahr falsch. Dass der Talentwettbewerb weitaus mehr zu bieten hat, zeigten Musiker aller Altersklassen beim traditionellen Preisträgerkonzert im Veranstaltungsforum. Von Barock bis Pop, von pathetisch bis niedlich - alles war an diesem Nachmittag dabei. Beim Regionalwettbewerb Anfang Januar waren von den insgesamt 62 Teilnehmern aus dem Landkreis ganze 54 mit einem ersten Preis ausgezeichnet worden. Für das Konzert musste also eine Auswahl getroffen werden. So durften immerhin 25 der jungen Musiker noch einmal Ausschnitte aus ihren Wettbewerbsprogrammen vortragen.

Den Auftakt machen Tassilo Probst (Violine), Amrei Bohn (Cello) und Felix Lotter (Klavier) mit dem letzten Satz aus Antonín Dvořáks Klaviertrio Nr. 4, das der Komponist ganz bewusst nicht so nannte, sondern schlicht "Dumky". Denn Dvořák bricht hier mit der strengen, viersätzigen Sonatenform. Vielmehr ist es eine scheinbar lose Aneinanderreihung von slawisch anmutenden Tänzen, durchweg in sich versunkene Kompositionen mit wilden und mehr oder weniger heiteren Einwürfen. Mühelos fangen die drei jungen Musiker die Stimmungsschwankungen auf. Es wechseln die getragenen Kantilenen der Violine mit flammenden Eruptionen des Klaviers. Ausgefeilte thematisch-motivische Arbeit gibt es in Dvořáks Stück nicht. Am Ende ist es alles pure Klangfläche, die gleich zu Beginn des Preisträgerkonzertes für zahlreiche Bravo-Rufe sorgt.

Davon lässt sich Florian Wagner nicht beirren. Sein Akkordeon vor die Brust gespannt, tapst er vorsichtig Stufe für Stufe zur Bühne hinauf. Dabei zieht ihn das kastige Instrument bedenklich weit nach vorn. Kein Wunder, denn es ist breiter und voll ausgezogen wahrscheinlich sogar länger als der kleine Olchinger. Clownesk-unbekümmert ist sein Galopp aus der "Perger Suite" (1984) des tschechischen Komponisten Jan Truhlář. Während der gesamten Dauer des volkstümlichen Tanzes geben Florians Füße munter den Zwei-Viertel-Takt vor. Wie es ihm wohl gelingt, bei seinen zwei Verbeugungen nicht vornüber zu kippen? Genauso wie den musikalischen Part meistert er diese nämlich ganz schön souverän.

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(Foto: Günther Reger)

Für seinen Auftritt hat Cellist Christoph Kilian extra seinen eigenen Hocker mitgebracht. Pianist Kazuhiko Yoshida begleitet gleich mehrere Musiker.

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(Foto: Günther Reger)

Auch sie zeigen musikalische Vielfalt: Julia Brenner,...

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(Foto: Günther Reger)

...Konstantin Glauber,...

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(Foto: Günther Reger)

...Florian Wagner,...

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(Foto: Günther Reger)

...Tassilo Probst, Felix Lotter und Amrei Bohn (v.l.).

Dass Akkordeon weit aus mehr sein kann als urig-polterndes Humpta-Instrument, bewies Konstantin Glauber mit seinem Spiel. Bei "In the Zoo" (1964), komponiert vom Dänen Niels Viggo Bentzon, bekommt der sonst so volkstümliche Klang des Instrumentes etwas Mysteriöses, beinahe Schauderhaftes. Schwerfällig und mit vollgriffigen Akkorden stapft da der Elefant, pompös bis in den Bassbereich. Ganz anders präsentieren sich die Kakadus beim Tee. Lebhaft geht es dabei zu. Schnelle akkordische Läufe ahmen das Fliegen und Flattern der gefiederten Teegesellschaft nach. So ungewohnt sich das Akkordeon hier auch präsentiert, für Konstantin ist das Routine. Wie auch alle anderen Musiker am heutigen Nachmittag hat er seine Wettbewerbsprogramm wohl unzählige Male gespielt. Da bleibt dem Gröbenzeller dann auch genügend Freiraum, um währenddessen den ein oder anderen prüfenden Blick ins Publikum zu werfen.

Weniger atonal Experimentelles als traditionell Bewährtes erwartet die Zuhörer bei den Musikern, die in der Solokategorie der Streichinstrumente antreten. Höhepunkt ist sicherlich der Auftritt des Emmeringers Tassilo Probst. Er brilliert mit dem letzen Satz aus Alexander Glasunows Violinkonzert, einem der letzten großen Violinkonzerte der Spätromantik. Ein Jagdmotiv zieht sich durch das rasante, gegen Ende immer schneller werdende Rondo. Das ist Glasunow in Reinform: Formvollendet miteinander verknüpft sind nationalrussische Einflüsse ebenso wie volkstümliche Stilelemente und orientalische Harmonik. Tassilo zeigt mit zupackendem Spiel und, für sein Alter recht ausgeprägter, pathetischer Geste, sein technisches Können. Ein wahres Feuerwerk an Effekten wird hier abgebrannt, das der Saal mit tosendem Applaus bejubelt.

Dieser Leistung steht auch der zweite Violinist des Nachmittags in nichts nach. Durchaus selbstbewusst, aber mit stillerer Geste interpretiert Paul Simon den letzten Satz aus Krzysztof Pendereckis Violinsonate Nr. 1. Komponiert im Jahr 1953 vom gerade einmal 20-jährigen Polen, wurde sie erst in den Neunzigerjahren veröffentlicht. Deutlich heraus hört man hier den stacheligen und herben Witz eines Dmitri Schostakowitsch. Das schroffe Hauptthema wechselt mit zarteren Passagen. Am Ende verkommt beides zu einer kurzen, aber energiegeladenen Floskel.

Einen stilistischen Kontrapunkt zu den vermeintlich ernsthaften und durchweg adrett gekleideten klassischen Musikern setzen die beiden Popsängerinnen. Den Anfang macht Sopranistin Julia Brenner: frecher Bob, luftiges Blumentop, braune Schnürstiefel. Da steht sie nun, lächelt und singt mit ihrer strahlklaren, beinahe esoterischen Stimme über die Hangover-Reflexionen eines alkoholabhängigen Partygirls. Das 2015 für einen Grammy nominierte Lied "Chandelier" der Singersongwriterin Sia Furler ist harter Tobak. Ob man den der Eichenauerin abnimmt? Vielleicht gewinnt die Aussage des Liedes durch Julias unschuldige Interpretation auch nur noch mehr an Kraft.

Für gehörig Castingshow-Atmosphäre sorgt Mezzosopranistin Luca Fabienne Hergert mit "Hurt" von Christina Aguilera. Die Popballade beschwört Schmerz und Schuld herauf und wandelt thematisch auf den Trümmern einer einstmaligen Liebesbeziehung. Dabei erinnert Fabienne mit ihrer röhrig-dreckigen Stimme mehr als nur einmal an die us-amerikanische Sängerin selbst. Auch sonst hat die hochgewachsene Türkenfelderin schon viel von einem Popsternchen: keine Angst vor engen Jeans und knapper Karobluse und schon gar nicht vor weiten Schlenkern und Seufzern in der Stimme. Gesanglich überzeugt der Auftritt der gerade einmal 13-Jährigen allemal. Zurück bleiben aber ein leichter Beigeschmack des Überdimensionierten und der Gedanke "Das hat eigentlich noch ein paar Jahre Zeit".

© SZ vom 05.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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